Zustand der Schulen nach einem Jahr Pandemie – Umfrageergebnisse aus OECD-Ländern

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Schulkinder haben im Vergleich zu anderen Altersklassen wenig von COVID-19 als Krankheit zu befürchten. Doch kaum jemand ist so stark von den politischen Antworten auf die Pandemie betroffen wie sie. Für 1,5 Milliarden Kinder in 188 Ländern waren die Schultore im vergangenen Jahr zumindest zeitweise geschlossen – mit weitreichenden Auswirkungen auf ihre Lernergebnisse und Entwicklungschancen. Wie haben die OECD-Länder reagiert? Welche Länder haben sicheren Präsenzunterricht gewährleisten können und wie ist es ihnen gelungen?

Antworten auf diese Fragen haben wir am 15. April 2021 in einem Webinar diskutiert.

Vortrag:

Andreas Schleicher | OECD-Bildungsdirektor

Diskussion mit:

Ludger Wößmann | Leiter des ifo Zentrums für Bildungsökonomik

Susi Kriemler | Leiterin der „Ciao Corona“ Schulstudie, Universität Zürich

Moderation: Nicola Brandt | Leiterin des OECD Berlin Centre

Zentrale Ergebnisse der Diskussion:

  • Im OECD-Vergleich gibt es keinen Zusammenhang zwischen dem Pandemiegeschehen und der Dauer der Schulschließungen. Hingegen ist es Ländern mit leistungsfähigen Schulsystemen besser gelungen, Präsenzunterricht zu gewährleisten. Solche Schulsysteme zeichnen sich durch hohe Verantwortung und Gestaltungsmöglichkeiten auf lokaler Ebene aus. Sie setzen stärker als andere Ressourcen da ein, wo sie benötigt werden.
  • Im Kanton Zürich etwa ist es gelungen, auch in einer besonders starken Winterwelle die Schulen offen zu halten. Epidemiologen der Universität Zürich untersuchen das Infektionsgeschehen in Schulen kontinuierlich und arbeiten dabei eng mit der kantonalen Bildungsdirektion zusammen. Die repräsentative Untersuchung ergab, dass es auch auf dem Höhepunkt der Winterwelle mit 7-Tages-Meldeinzidenzen nahe 1000 neuen Fällen pro 100 000 Einwohnern, nur selten mehrere Infektionen in einer Klasse gab. Ausbreitungen in der ganzen Schule wurden nicht beobachtet. Das „Ciao Corona“-Team setzt seine Untersuchungen kontinuierlich fort, um zusammen mit der Bildungsdirektion auch Erkenntnisse über mögliche Änderungen, etwa durch Virusmutationen, zu gewinnen. Bislang scheint sich das Infektionsgeschehen durch anlassbezogenes Testen und Quarantäne gut kontrollieren zu lassen.
  • Leistungsschwächere Schülerinnen und Schüler, die zu Hause weder den nötigen Raum noch Unterstützung vorfinden, haben im Distanzunterricht die größten Probleme.  Dadurch drohen sich Bildungsungleichheiten zu vertiefen.
  • In Deutschland haben Schülerinnen und Schüler im Frühjahrslockdown nur halb so viel Zeit mit der Schule verbracht wie davor. Die passive Zeit vor dem Bildschirm ist dafür deutlich gestiegen.
  • Wichtig wird es sein, Ressourcen und innovative Lernangebote einzusetzen, damit benachteiligte Kinder und Jugendliche das Versäumte wieder aufholen können. Das Wiederholen von Schuljahren hat sich nach OECD-Erkenntnissen nicht bewährt, um Lernrückstände zu überwinden.
  • In den meisten Ländern haben die Schulen zuerst wieder für Grund- und Vorschulen geöffnet. Das ist sinnvoll, da besonders für jüngere Kinder digitale Angebote Präsenzunterricht nicht ersetzen können.
  • Digitale Technologien haben an Bedeutung gewonnen und werden auch nach der Pandemie relevant bleiben. Deutschland wurde hier „kalt erwischt“, weil das Land fast zehn Jahre später als die OECD-Vorreiter damit begonnen hat, in digitale Technologien an Schulen und die Kompetenzen der Lehrkräfte zu investieren.
  • Durch die Pandemie gab es aber einen Digitalisierungsschub in fast allen OECD-Ländern. Digitale Werkzeuge können den Präsenzunterricht sehr sinnvoll ergänzen, aber nicht ersetzen.
Mitschnitt der Veranstaltung:
Präsentation von Andreas Schleicher:

Download der Präsentation von Andreas Schleicher

Präsentation von Susi Kriemler:

Download der Präsentation von Susi Kriemler

Zum Weiterlesen:

Ciao Corona. Laufende Studie der Universität Zürich zum Risiko der Verbreitung von Corona-Infektionen im Präsenzunterricht.   

The state of school education – one year into the COVID pandemic. OECD-Umfrage zur Lage der Schulen in der Pandemie (2021).

Bildung erneut im Lockdown: Wie verbrachten Schulkinder die Schulschließungen Anfang 2021?. Studie des ifo institus. (2021).

Learning loss due to school closures during the COVID-19 pandemic. Studie aus den Niederlanden zu den Auswirkungen von Homeschooling auf den Lernerfolg (2021).

Das Leben von jungen Menschen in der Corona-Pandemie. Studie der Bertelsmann Stiftung (2021).

Bildung in der Coronakrise: Wie haben die Schulkinder die Zeit der Schulschließungen verbracht, und welche Bildungsmaßnahmen befürworten die Deutschen? Studie des ifo Instituts (2020).