Werden gestörte Lieferketten zum Stolperstein für den Aufschwung?

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Die Coronakrise ist noch nicht vorbei, aber die Weltwirtschaft hat wieder deutlich an Fahrt aufgenommen. Für anhaltende Schwierigkeiten sorgen jedoch Logistikprobleme im Schiffsverkehr, Lieferengpässe bei Halbleitern oder Rohstoffen und damit explodierende Preise bei den Vorprodukten.

In einem Webinar am 23. September 2021 haben wir mit Expert:innen aus Politik, Wirtschaft und Forschung diskutiert, wie gestörte Lieferketten zukünftig besser verhindert werden können und wo der Staat den Handel unterstützen sollte.

Impulsvortrag:

Marion Jansen | OECD

Diskussion mit:

Zarah Abendschön-Sawall | ahk service & solutions, Schwaigern
Lisandra Flach | ifo Zentrum für Außenwirtschaft
Christian Forwick | Bundesministerium für Wirtschaft und Energie
Markus Heß | Bundesministerium für Wirtschaft und Energie
Vera Philipps | Deutscher Industrie- und Handelskammertag

Moderation:

Matthias Rumpf | OECD Berlin Centre

Download der Präsentation von Marion Jansen.

Kernpunkte der Diskussion:

  • Im Krisenjahr 2020 haben Menschen weltweit Lieferengpässe deutlich zu spüren bekommen – etwa bei Schutzmasken und Testkits. In Deutschland mehrten sich in der Folge die Rufe nach mehr Autarkie: Deutschland solle fehlende Produkte vermehrt im Inland produzieren. OECD-Analysen aber zeigen, dass Autarkiebestrebungen für die meisten Länder eher zu erhöhten Risiken führen. Das liegt unter anderem daran, dass es viel länger dauert, in den einzelnen Ländern die Produktion für bestimmte Produkte anzukurbeln, auf die sie nicht spezialisiert sind. Tatsächlich zeigt sich nach anderthalb Jahren Krise in der Privatwirtschaft sogar die gegenteilige Tendenz, nämlich der Versuch, ihre Lieferketten noch stärker als bisher zu diversifizieren.
  • Die Krise hat die Struktur des Handels verändert, sogar weit stärker als während der globalen Finanzkrise. Die krisenbedingt starken Schwankungen haben große Planungsschwierigkeiten mit sich gebracht. Umfragen unter Unternehmer:innen, wie sie die DIHK durchführt, zeigen eine anhaltend große Verunsicherung. Zahlreiche Unternehmer:innen berichten von aufgeschobenen Investitionen und Verträgen, die aufgrund der gestörten Lieferketten nicht eingehalten werden können.
  • Die Regierungen sollten Strukturen aufbauen bzw. bestehende Strukturen verstärken, die dazu dienen, Risiken zu antizipieren und im Krisenfall schnell zu reagieren. Dabei muss es um ganz unterschiedliche Arten von Risiken gehen – neben Pandemien etwa auch Naturkatastrophen, Cyberattacken, Systemversagen im IT-Bereich oder Ausfälle bei wichtiger physischer Infrastruktur wie Häfen.
  • Der Staat kann den Handel unterstützen, indem er für Rechtssicherheit und damit auch für mehr Planbarkeit sorgt. Maßnahmen wie Grenzkontrollen und Grenzschließungen dürfen für die Wirtschaft nicht unvorhersehbar kommen. Internationale Zusammenarbeit im Rahmen der WTO ist essentiell aber nicht ausreichend. Darüber hinaus gilt es beispielsweise, sich auf europäischer Ebene zu koordinieren und bei neu entstehenden Freihandelszonen gut zu positionieren.
  • Ein enger Austausch von Wirtschaft und Politik sowie zwischen internationalen Akteuren, ausgedrückt in den drei „C“ (Communication, Consultation and Cooperation) ist der Schlüssel, um auch in schwierigen Zeiten stark, schnell und agil zu bleiben.
  • KMU können von Freihandelsabkommen häufig nicht profitieren, weil diese zu kompliziert gestaltet sind. Hier braucht es staatliche Unterstützung über entsprechende Informationsangebote und Hilfsplattformen.
  • Eine gute Infrastruktur ist für die Wettbewerbsfähigkeit extrem wichtig. In Bezug auf die digitale Infrastruktur Europas sind mit den Projekten Gaia-X und Catena-X neue Meilensteine auf den Weg gebracht worden, die Unternehmen mehr Datensicherheit und Datensouveränität garantieren sollen.

Zum Weiterlesen:

Keys to resilient supply chains. Digitales Tool der OECD, das Regierungen unterstützen soll, Maßnahmen zur Krisenfestigkeit und Stärkung wichtiger Lieferketten umzusetzen. (2021)

Internationale Wertschöpfungsketten – Reformbedarf und Möglichkeiten. ifo-Studie im Auftrag der Konrad-Adenauer-Stiftung mit einer Analyse wichtiger Wertschöpfungsketten Deutschlands und potentieller Risiken. (5. August 2021)

Fostering Economic Resilience in a World of Open and Integrated Markets. Vom Vereinigten Königreich im Rahmen seiner G7-Präsidentschaft in Auftrag gegebene OECD-Studie mit Empfehlungen für mehr wirtschaftliche Resilienz. (23. März 2021)

Global value chains: Efficiency and risks in the context of COVID-19. OECD-Themenpapier, das untersucht, wo das größte Risikopotential für wirtschaftliche Schocks liegt und welche Folgeszenarien sich mit ihnen verbinden. (11. Februar 2021)