Was sagt uns PISA über die Lesekompetenz von Schüler:innen im digitalen Zeitalter?

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In der digitalen Welt hat das Lesen einen neuen Charakter bekommen. Nur noch selten lesen wir linear. Stattdessen müssen wir strategisch navigieren, Wesentliches von Unwesentlichem unterscheiden, Quellen hinterfragen. Die Studie Lesen im 21. Jahrhundert: Lese- und Schreibkompetenzen in einer digitalen Welt, eine Sonderauswertung der PISA-Ergebnisse von 2018, gibt Aufschluss darüber, wie gut das den Schüler:innen in den Teilnehmerländern gelingt. Die Studie wurde mit Unterstützung der Vodafone Stiftung Deutschland erarbeitet.

Die wichtigsten Ergebnisse für Deutschland haben wir am 4. Mai 2021 auf einer Pressekonferenz mit  

Andreas Schleicher | OECD-Bildungsdirektor
Anja Karliczek | Bundesministerin für Bildung und Forschung 
R. Alexander Lorz | Hessischer Kultusminister

vorgestellt.

Mitschnitt der Veranstaltung:

Download der Präsentation von Andreas Schleicher

Zentrale Ergebnisse:

Lesen lernen: Lesen ist eine Basiskompetenz, denn jedes andere Schulfach setzt voraus, dass Schüler:innen sinnverstehend lesen können. Unser Leseumfeld aber hat sich in den letzten 20 Jahren radikal verändert. Die heutigen 15-Jährigen mögen als Digital Natives gelten, aber auch sie müssen erst lernen, im digitalen Raum mit Texten und Quellen umzugehen. Viele der Schüler:innen, die 2018 in Deutschland an PISA teilgenommen haben, zeigen hier große Defizite.

Fakten von Meinungen unterscheiden: Nicht einmal jede:r Zweite kann in Texten verlässlich Fakten von Meinungen unterscheiden. Damit liegen die deutschen Schüler:innen leicht unter dem OECD-Durchschnitt. Die Schulen könnten hier weitaus mehr leisten. Nur etwa die Hälfte gibt an, im Unterricht gelernt zu haben, wie man subjektive oder voreingenommene Texte erkennt. In OECD-Ländern wie USA, Australien, Dänemark oder Kanada sagten dies über 70 Prozent. Viele Schüler:innen in Deutschland haben zwar das theoretische Wissen, um die Glaubwürdigkeit von Quellen einzuschätzen. Sie haben aber Schwierigkeiten, dieses Wissen anzuwenden.

Aus Freude am Lesen lesen: Die Studie zeigt auch, dass Schüler:innen in Deutschland vergleichsweise wenig aus eigenem Antrieb lesen. In keinem anderen Land ist zwischen 2009 und 2018 die Freude am Lesen stärker zurückgegangen als in Deutschland.

Digitale Technik sinnvoll nutzen: Die Intensität der Nutzung digitaler Geräte korreliert tendenziell negativ mit der Lesekompetenz. So schnitten diejenigen, die gedruckte Bücher lesen, insgesamt besser ab als diejenigen, die vor allem digital lesen. Das sagt nichts darüber aus, wie sinnvoll der Einsatz technischer Geräte im Unterricht ist. Vielmehr ruft es dazu auf, zu schauen, ob die Geräte und Anwendungen, die zur Verfügung stehen, sinnvoll genutzt werden. Häufig wird Technik im Unterricht genutzt, um bestehende Pädagogik zu konservieren, nicht, um den Unterricht grundlegend zu verändern.

Die soziale Schere verkleinern: Der soziale Hintergrund spielt für die Lesekompetenz in Deutschland eine große Rolle. Während Schüler:innen aus privilegiertem Elternhaus so gut abschnitten wie in keinem anderen Land, rangierten Schülerinnen und Schüler aus benachteiligten Haushalten nur im oberen Mittelfeld. Am schlechtesten schneiden Jungen aus ungünstigen sozialen Verhältnissen ab. Die Coronakrise hat die Ungleichheit zwischen begünstigten und benachteiligten Schüler:innen noch verschärft. Einigen Schätzungen zufolge hat etwa ein Viertel der Schüler:innen durch die Krise großen Nachholbedarf. Eine der dringendsten Aufgaben der Politik ist es jetzt, die Betroffenen zu identifizieren und über Lerngruppen und individuelle Förderung dafür zu sorgen, dass sie nicht den Anschluss verlieren.

Zum Weiterlesen:

21st-Century Readers: Developing Literacy Skills in a Digital World. Vollständige OECD-Studie (4. Mai 2021)

Lesen im 21. Jahrhundert: Lesekompetenzen in einer digitalen Welt. Zusammenfassung auf Deutsch mit Fokus auf deutschlandspezifische Ergebnisse (4. Mai 2021)

Are 15-year-olds prepared to deal with fake news and misinformation? Begleitende Broschüre aus der Reihe PISA in Focus (4. Mai 2021)

Weniger als die Hälfte der 15-Jährigen in Deutschland kann in Texten Fakten von Meinungen unterscheiden – soziale Herkunft spielt beim Umgang mit digitalen Medien eine große Rolle. Pressemitteilung des OECD Berlin Centre (4. Mai 2021)