Was macht gute Innovationspolitik aus?

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Forschung und Entwicklung haben in der Pandemie eindrucksvoll ihr Können bewiesen. Wie der OECD-Ausblick Wissenschaft, Forschung und Innovation zeigt, war die Mobilisierung von Wissenschaft und Innovation in 2020 beispiellos. Welche positiven Lehren können wir daraus für die Zukunft ziehen? Wie können wir die Rahmenbedingungen für Forscherinnen und Forscher, Entwicklerinnen und Entwickler so verbessern, dass sie bestmöglich zur Bewältigung der vielen großen gesellschaftlichen Herausforderungen beitragen können, wie Klimawandel, zukünftige Pandemien und erfolgreiche Digitalisierung?

Diese Fragen haben wir am 27. Januar 2021 in einem Webinar diskutiert.

Impulsvortrag:  

Dirk Pilat | Stv. OECD-Direktor für Wissenschaft, Technologie und Innovation

Im Anschluss Diskussion mit:

Irene Bertschek | Leiterin des Forschungsbereichts Digitale Ökonomie am ZEW Mannheim, Professorin an der JLU Gießen und Mitglied der Expertenkommission Forschung und Innovation

Georg Krausch | Präsident der Johannes Gutenberg-Universität Mainz und Vorstand von German U15

Sylvia Schwaag Serger | Professorin für Forschungspolitik der Universität Lund und Mitglied des Innovationsrates der schwedischen Regierung

Thomas Koenen | Leiter der Abteilung Digitalisierung und Innovation des Bundesverbandes der deutschen Industrie

Moderation:

Nicola Brandt | Leiterin des OECD Berlin Centre


Das Positive zuerst: Die Corona-Krise hat gezeigt, welche Erfolge in Forschung und Entwicklung möglich sind. Dass in kürzester Zeit gleich mehrere Impfstoffe mit mutmaßlich hoher Wirksamkeit entwickelt wurden, ist ein beispielloser Triumph der Wissenschaft. Etwa zehntausend Veröffentlichungen zu COVID-19 pro Monat, viele davon frei zugänglich, zeugen von einer enormen Mobilisation von Forschung und Entwicklung in der Pandemie.

Umso mehr hat die Krise aber auch gezeigt, wo es Hindernisse gibt. Dirk Pilat, unter dessen Leitung der OECD Ausblick Wissenschaft, Forschung und Innovation entstand, nennt Beispiele: Wissenschaftskarrieren sind oft unattraktiv, viele Forscherinnen und Forscher arbeiten in unsicheren, teils prekären Arbeitsverhältnissen. Investitionen in Forschungsförderung sind nicht ausreichend hoch und oft nicht klug austariert. Seit Jahren werde Forschung und Entwicklung vermehrt über Steuervorteile gefördert statt über direkte Finanzierungsmodelle, so Pilat. Das komme meist der Verbesserung bestehender Prozesse zugute aber nicht der Entwicklung neuer Produkte und Erkenntnisse. „Außerdem denken wir nicht genug in ganz großen Vorhaben, in Big Missions“, so Pilat. Als die Menschheit auf den Mond wollte, war das so eine Big Mission, die viel Innovation in Gang brachte. „Davon brauchen wir heute wieder mehr“. Auch fehle es an Dynamik in Politik und Verwaltung, um Forschung und Entwicklung wirklich zu befeuern.

Was muss sich konkret ändern?

„Eine Lehre aus der Krise ist: Um agil auf Krisen reagieren zu können, ist ergebnisoffene Grundlagenforschung essentiell“, so Georg Krausch. Der Erfolg vom Mainzer Unternehmen Biontech bei der Impfstoffentwicklung sei ein Erfolg von 30 Jahren Grundlagenforschung im Bereich der Krebsforschung gewesen. Das die Ergebnisse Lösungen zur Bekämpfung einer viralen Pandemie liefern würde, konnte niemand voraussehen. Das zeige, wie wichtig es ist, dass Förderprogramme sich nicht auf anwendungsorientierte Bereiche konzentrieren, von denen Lösungen für bestimmte Probleme erwartet werden, sondern insbesondere Forschung unterstütze, die ergebnisoffen und damit risikoreicher ist. 

Zusätzlich zur Grundlagenforschung brauche es in Deutschland auch Unterstützung für Gründungen, die Anwendungsmöglichkeiten am Markt entwickeln, so Thomas Koenen. Hierzulande sei man oft sehr erfolgreich in der Grundlagenforschung und überlasse dann die marktorientierte Nutzung anderen Ländern. Es sei wichtig, auf einen guten Mix von Grundlagen- und anwendungsorientierter Forschung zu achten. Auch die Nutzung der Ergebnisse zur Lösung gesellschaftlicher Probleme verdiene oft politische Unterstützung.

„Was uns in Deutschland außerdem fehlt“, so Georg Krausch, „ist dieses Gen, das sagt: ‚Ich möchte mich selbständig machen‘“. Das sei in anderen Ländern viel ausgeprägter. Umso wichtiger seien Programme wie Young Entrepreneurs in Science, die gezielt Absolventen und Doktoranten ansprechen, um ihnen Mut, Lust und Ideen für die Selbständigkeit zu geben.

Für Silvia Schwaag Serger ist klar: Die Corona-Krise hat nicht nur gezeigt, wie elementar es ist, Forschung und Entwicklung zu fördern. Der Innovationsbedarf sei in nahezu allen Bereichen des öffentlichen Lebens groß „Wir müssen das kommende Jahrzehnt nutzen, um uns grundlegend zu verändern“, so Schwaag Serger. „Ich sorge mich, dass wir gerade viel Geld ausgeben, um zu bewahren wie wir wirtschaften, leben und konsumieren, anstatt uns zu transformieren“. Um gesellschaftlich, wirtschaftlich und ökologisch nachhaltig zu werden, müssten wir alle neu denken, auch in den oft sehr traditionell arbeitenden öffentlichen Verwaltungen.

Hinderlich für Forschung und Entwicklung sei vielfach nicht nur ein Mangel an Förderung, sondern auch die mangelnde Nutzbarkeit von Daten, so Irene Bertschek. Die Corona-Warn-App sei ein Beispiel für ein datenbasiertes Instrument, das allen zugutekommen soll, das aber sehr wenig Möglichkeiten biete, die gesammelten Daten weitergehend zu nutzen und daraus zu lernen. „Wir müssen den Wert der Daten erkennen“, so Bertschek. Auch für Thomas Koenen liegt hier ein großes Problem. „Dass die Datenschutzgrundverordnung nicht klar regelt, wie personenbezogene und nicht-personenbezogene Daten genutzt werden können, macht es für die Industrie sehr schwer“. Das schaffe Unsicherheit, die viele Unternehmerinnen und Unternehmer davon abhalte, sich überhaupt an Innovationsprojekte zu wagen, die auf der Datenanalyse basieren.

Alle Diskutanten des Webinars hoffen, dass die Krise als großer Impulsgeber dient, um Dinge zukünftig anders zu machen. Und dass die künftige Bundesregierung die Investitionen in Forschung und Entwicklung nicht zurückfahren wird, um die Schulden der Krisenzeit abzubauen, sondern Forschung und Entwicklung als Treiber von Produktivität anerkennen und ihre Förderung ausbauen wird.

Mitschnitt der Veranstaltung :

Präsentation von Dirk Pilat:

Zum Weiterlesen:

OECD Science, Technology and Innovation Outlook 2021. Vollständige Studie (Januar 2021)

OECD-Ausblick Wissenschaft, Technologie und Innovation 2021. Highlights der Studie zusammengefasst in deutscher Übersetzung (Januar 2021)