Mehr als ein Infektionsrisiko: Öffentliche Gesundheit in OECD-Ländern nach anderthalb Jahren Pandemie

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COVID-19 hat Millionen von Menschen weltweit das Leben gekostet und viel Leid verursacht. Die neue Ausgabe der OECD-Studie Gesundheit auf einen Blick analysiert, wie sich Impffortschitt und die Ausbreitung neuer Virusvarianten auf den Verlauf der Pandemie ausgewirkt haben und welche Bevölkerungsgruppen besonders starken Risiken durch COVID-19-Infektionen ausgesetzt sind. Auch jenseits vom Infektionsrisiko hat COVID-19 große Auswirkung auf die Gesundheit der Bevölkerung gehabt. Allerdings werden aufgeschobene Behandlungen und Untersuchungen, psychische Belastungen, Bewegungsarmut und andere Folgen des Lockdowns erst allmählich ihre Wirkung zeigen.

Impulsvortrag:

Michael Müller | OECD

Diskussion:

Bertram Häussler | IGES Institut

Susanne Walitza | Universität Zürich

Stefan Willich | Charité

Moderation:

Nicola Brandt | OECD

Kerninhalte der Studie zu den Folgen der Pandemie:

In diesem Jahr befasst sich ein Kapitel von Gesundheit auf einen Blick ausschließlich mit direkten und indirekten Auswirkungen der COVID-19-Pandemie auf die Gesundheit.

Die direkten Auswirkungen sind dramatisch: Nach aktuellem Stand sind 248 Millionen Infektionen und fünf Millionen Todesfälle weltweit erfasst. Etwas weniger als die Hälfte davon lassen sich den 38 OECD-Länder zuordnen. Die Unterschiede zwischen den Staaten sind dabei groß, was zum Teil auch an verschiedenen Testkapazitäten- und strategien, sowie an Unterschieden in der Erfassung liegt.

Die Übersterblichkeit lag in den 18 Monaten zwischen Januar 2020 und Juni 2021 in den untersuchten Ländern 16 Prozent über dem erwarteten Wert. Das wirkt sich in den meisten OECD-Ländern negativ auf die Lebenserwartung aus. Bestimmte Personengruppen haben ein höheres Risiko, schwer an Corona zu erkranken. Ein hohes Alter, Vorerkrankungen und Übergewicht spielen dabei eine Rolle. Aber auch sozioökonomische Benachteiligung ist ein Risikofaktor, sowohl für die Gefahr sich mit dem Virus anzustecken als auch schwer daran zu erkranken. Impfstoffe senken das Risiko einer Ansteckung und eines schweren bis tödlichen Krankheitsverlaufs. Der Impffortschritt wird aber in vielen OECD-Ländern durch Impfskepsis, die in einigen Teilen der Bevölkerung verbreitet ist, gebremst.  

Eine indirekte Auswirkung der Pandemie zeigt sich in der Verschlechterung der psychischen Gesundheit vieler Menschen. In den meisten Ländern, für die Daten vorliegen, hat sich die Prävalenz von Angststörungen und Depressionen in der Pandemie und vor allem während der Lockdowns verdoppelt. Der Behandlungsbedarf konnte teilweise nicht gedeckt werden. Andere ärztliche Leistungen und Vorsorgeuntersuchungen mussten aufgeschoben werden oder sind wegen der Pandemie nicht in Anspruch genommen worden. So ist beispielsweise der Anteil der Frauen, welche an Brustkrebsvorsorgeuntersuchungen teilgenommen haben, im Jahr 2020 zurückgegangen. Die Auswirkungen von möglicherweise verspäteten Diagnosen werden sich erst in den nächsten Jahren genauer erfassen lassen. Insgesamt ist die Zahl der stationären Krankenhausfälle zurückgegangen, insbesondere bei elektiven Eingriffen. Durch verschobene stationäre Behandlungen sind die Wartezeiten für Operationen teils stark angestiegen.

Deutschland war in Bezug auf seine Behandlungskapazitäten überdurchschnittlich gut auf die Krise vorbereitet. Insgesamt ist die Verfügbarkeit von Ärzten und Ärztinnen sowie von Pflegekräften in den deutschsprachigen Ländern relativ hoch, allerdings hat die Pandemie auch offen gelegt, dass die Personal-zu-Bett-Quote in deutschen Krankenhäusern relativ gering ist. Um die Resilienz der Gesundheitssysteme zu erhöhen, braucht es dringend mehr Investitionen in Fachpersonal, eine Stärkung der Primärversorgung und einen größeren Fokus auf Präventionsmaßnahmen, so die Studie.

Zum Weiterlesen:

Health at a Glance. Themenseite zur Studie mit Statistiken, Ländernotizen und weiterführenden Informationen

Health at a Glance 2021 – OECD Indicators. Vollständige Studie in der OECD iLibrary (9. November 2021)