Innovation für den Mittelstand: Was bringt den digitalen Schub?

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Mit der Digitalisierung Schritt zu halten, ist eine Voraussetzung für die allermeisten Unternehmen, um wettbewerbsfähig zu bleiben. Dennoch gibt es auch in Deutschland, Österreich und der Schweiz großen Nachholbedarf – vor allem bei kleinen und mittleren Unternehmen. Auf sie wächst der Druck, ihre Produktionsweise, ihre Datennutzung, ihre Marketingstrategie und ihre Kooperationsnetzwerke zu überdenken und sich mithilfe digitaler Anwendungen besser aufzustellen.

Wo schlummert großes Potential? Wo liegen wichtige Hindernisse? Welche Strategien können helfen, um Mittelständlern den entscheidenden digitalen Schub zu verschaffen? Das haben wir am 11. Februar 2021 in einer digitalen Veranstaltung unseres DACH-Netzwerks KMU und Familienunternehmen diskutiert.

Einführung:

Céline Kauffmann | Leiterin des Bereichs Unternehmertum, KMU und Tourismus im OECD Centre for Entrepreneurship, SMEs, Regions and Cities

Impulsvortrag:

David Gierten | Politischer Analyst bei der OECD

Diskussion:

Fritzi Köhler-Geib | Chefökonomin der Kreditanstalt für Wiederaufbau, Frankfurt

Sebastian Henke | Personalleiter bei der Optima packaging group, Schwäbisch-Hall 

Tomislav Pavicic | Leiter Logistik Service der Genossenschaft Migros Ostschweiz, Gossau

Anna Maria Brunnhofer | Gründerin von AMB Technology, Linz 

Jérôme Hamacher | Gründungsberater am Strascheg Center for Entrepreneurship, München 

Moderation:

Nicola Brandt | Leiterin des OECD Berlin Centre 


Kleine und mittlere Unternehmen hinken bei der Digitalisierung hinter den großen Firmen hinterher, so Céline Kauffmann in ihrer Einführung. Wer von der Digitalisierung profitieren wolle, sollte sich aber nicht zu viel Zeit lassen, denn Studien zeigen: Early Adopters – also die Vorreiter bei der Digitalisierung – profitieren am meisten. Um kleine und mittlere Unternehmen auf ihrem Digitalisierungsweg zu unterstützen, hat die OECD die Initiative „Digital for SMEs“ ins Leben gerufen, die den Erfahrungsaustausch zwischen kleinen, mittleren und großen Unternehmen fördert und sie mit Regierungsvertretern der OECD-Mitgliedsstaaten vernetzt.

Auf welchem digitalen Stand sind Unternehmen in OECD-Ländern?

Die große Mehrheit der Unternehmen nutzt Basis-Anwendungen im Bereich der Informations- und Kommunikationstechnologien (IKT), so OECD-Analyst David Gierten. Dazu gehören unter anderem einfache Breitbandverbindungen und eine Unternehmenswebsite. In Bezug auf prozessbezogene IKT wie E-Commerce und fortgeschrittene IKT wie Cloud-Computing und Big Data Analysen sehe es schon anders aus, so Gierten. Letztere seien besonders wichtig für die Nutzung von Daten, z.B. für datengetriebene Innovation.

„Besonders bei den fortgeschrittenen IKT wächst die Kluft zwischen kleinen und großen Firmen“, unterstreicht Gierten. Die Hemmnisse können ihm zufolge ganz unterschiedlicher Natur sein. Unter anderem fehle es an Investitionsanreizen sowie einfachem Zugang zu Kreditfinanzierung für Digitalisierungsprojekte, aber auch an flächendeckendem Breitbandausbau und am nötigen Wissenskapital.

Auch bei der Anzahl der in Unternehmen genutzten IKT gibt es deutliche Unterschiede zwischen großen und kleinen Unternehmen, wie Mikrodaten aus OECD-Ländern zeigen: „Die Mehrheit der großen Firmen, etwa sechzig Prozent, nutzen sieben bis neun verschiedene IKT-Anwendungen. Der gleiche Anteil an kleinen Firmen nutzt drei bis sechs IKT-Anwendungen, also wesentlich weniger“. Dabei wisse man, dass IKT-Anwendungen sich oft ergänzen und der Effekt umso größer ist, wenn Firmen den Einsatz mehrerer Technologien geschickt miteinander verbinden.

„Deutschland ist bei der Nutzung von IKT im internationalen Vergleich bestenfalls im Mittelfeld“, bestätigt Fritzi Koehler-Geib von der Kreditanstalt für Wiederaufbau. 2018 habe der deutsche Mittelstand etwa 35 Milliarden Euro in Innovation investiert, darunter 19 Milliarden in Digitalisierungsaktivitäten. Zum Vergleich: Google, Amazon und Microsoft allein haben für ihre Cloud-Plattformen im gleichen Jahr 36 Milliarden ausgegeben. Hier gelte es schleunigst aufzuholen: „Der Großteil der Zukunftstechnologien mit Wachstumspotential basiert auf der Digitalisierung“, so Koehler-Geib. Auch wisse man aus Studien, dass digitalisierte Unternehmen widerstandsfähiger gegenüber Krisen sind.

Woran hapert es?

Ein Flaschenhals ist Koehler-Geib zufolge der Mangel an Fachkräften mit den notwendigen IKT-Kenntnissen. „Wir müssen deshalb bei der Aus- und Fortbildung ansetzen“, plädiert die Chefvolkswirtin der KfW. Insbesondere das Angebot von Fortbildungen, die parallel zur eigentlichen Arbeit möglich sind, müsse ausgebaut werden, „denn viele mittelständische Unternehmen können und wollen nicht für die Dauer einer Fortbildung auf Mitarbeitende verzichten.“

Die Optima packaging group ist als großer Mittelständler aus Schwäbisch Hall am Digital Hub Heilbronn-Franken beteiligt, einer Plattform, die die Vernetzung und Digitalisierung mittelständischer Betriebe in der Region fördert. Für Personalleiter Sebastian Henke kommt es bei der Digitalisierung auf die Vorbereitung, die Kenntnisse und die Bereitschaft zum digitalen Wandel im Management und der Belegschaft an. „Es gibt beispielsweise im Handwerk sehr innovative Unternehmen, die sich Roboter aufstellen, die physisch schwierige Handgriffe übernehmen. Und die Mitarbeiter wollen diese Roboter dann teils gar nicht nutzen, obwohl sie da sind, um ihnen das Leben zu erleichtern.“

Auch die Start-Up Unternehmerin Anna Maria Brunnhofer macht die Erfahrung, dass längst noch nicht jeder für den digitalen Wandel bereit ist. Ihre Firma AMB Technology entwickelt digitale Anwendungen zur Vermessung menschlicher Körper, mit denen die Arbeit und das Arbeitsumfeld in Unternehmen effizienter und sicherer gestaltet werden können. „Eine Zusammenarbeit mit uns funktioniert aber nur, wenn in einem Unternehmen prinzipiell die Bereitschaft da ist, mit uns Daten auszutauschen, und mit Robotern zu arbeiten. Auch die Werkshallen müssen schon auf einem gewissen digitalen Stand sein.“

„Das Kernproblem in der Digitalisierung von Unternehmen sehe ich beim Wissen darüber, was man überhaupt tun möchte“, so Tomislav Pavicic von der Genossenschaft Migros Ostschweiz. Aus seiner Erfahrung würden viele Führungskräfte ihr Unternehmen gerne digital besser aufstellen, wissen aber gar nicht, wie ihnen digitalen Anwendungen tatsächlich nützen. „Will ich online verkaufen? Die Kundenpenetration vertiefen?  Digitale Produkte auf den Markt bringen? Bestehende Produkte ergänzen? Prozesse automatisieren? Oder Aussagen über zukünftige Entwicklungen treffen?“ – das seien Fragen, die viele für sich noch gar nicht beantwortet hätten, so Pavicic. Entsprechend wichtig sei es, diesen Unternehmen zu helfen, ihr Digitalisierungspotential zu untersuchen.

Gründungsberater Jerôme Hamacher tut genau das: Er hilft für das Strascheg Center for Entrepreneurship an der Hochschule München Unternehmen durch den Dschungel digitaler Möglichkeiten, insbesondere indem er Beteiligte unterschiedlicher Bereiche zusammenbringt, die sich optimal ergänzen – zum Beispiel innovative Start-ups, traditionelle mittelständische Unternehmen und potentielle Investoren. Wichtig ist aus seiner Sicht, dass im Management der Wille da ist, neue Wege zu gehen. Darüber hinaus aber brauchen viele Unternehmen  „jemanden, der hilft, die Zielrichtung vorzugeben und die richtigen Tools zu finden“. Wichtig sei dabei außerdem, die bestehende Belegschaft mitzunehmen und spannende Aufgaben nicht nur an Leute zu vergeben, die neu ins Team kommen.

Zusammenfassend, sagt Tomislav Pavicic, brauche es einedigitale Alphabetisierung“, damit sich Unternehmerinnen und Unternehmer überhaupt mit allen Aspekten und Potentialen der Digitalisierung auseinandersetzen können“.

Mitschnitt der Veranstaltung:

Gekürzte Präsentation von David Gierten:

Download der Präsentation

Zum Weiterlesen:

The digital transformation of SMEs. OECD-Studie (Februar 2021)

OECD-Wirtschaftsberichte: Deutschland 2020. OECD-Studie (Dezember 2020)

Die Vorteile der digitalen Transformation voll ausschöpfen. Fokuskapitel im oben genannten OECD-Wirtschaftsbericht für Deutschland 2020 (Dezember 2020)

OECD Digital for SMEs Global Initiative. Diese OECD-Initiative unterstützt kleine und mittlere Unternehmen dabei, digitale Anwendungen klug für sich zu nutzen, indem sie den Wissens- und Erfahrungsaustausch sowie die Netzwerkbildung zwischen den Unternehmen fördert.