Wie Corona den Druck auf den Wohnungsmarkt erhöht – und was die Politik dagegen tun kann

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Von Mark Pearson und Marissa Plouin

Dieser Beitrag ist eine für Deutschland, Österreich und die Schweiz erweiterte Fassung des im OECD Forum Network erschienenen Artikels Three Ways to Make Housing More Affordable.

#WirBleibenZuhause. #Stayhome. #Restezchezvous. Überall während der Corona-Krise werden die Menschen aufgefordert, zuhause zu bleiben. Das wirft ein Schlaglicht darauf, wie ungleich Wohnqualität verteilt ist. Während einige Menschen die Lockdowns in komfortablen Umständen verbringen, leben andere in beengten Wohnverhältnissen ohne Zugang zu einem Computer, zum Internet oder zu einem Garten. Darüber hinaus ist schlechte Wohnqualität in diesen Zeiten auch ein Gesundheitsrisiko. Erste Studienergebnisse aus England und Frankreich legen nahe, dass beengte Wohnverhältnisse und dicht besiedelte Wohngebiete in Zusammenhang mit höheren Corona-Infektionszahlen stehen. Eine Gallup-Umfrage in Österreich zeigte eine im Schnitt höhere Unzufriedenheit mit der Lebenssituation in der Krise unter Menschen, die in engeren Wohnverhältnissen leben. Gleichzeitig macht es der wirtschaftliche Abschwung vielen Menschen zunehmend schwer, ihre monatlichen Fixkosten zu bestreiten. In den USA gab fast jede zweite Person mit Mietrückständen – über vier Millionen Menschen – im November 2020 an, mit großer oder relativer Wahrscheinlichkeit in den nächsten Monaten mit einem Rauswurf rechnen zu müssen.

Die Regierungen der OECD-Länder haben zu Beginn der Krise schnell mit Nothilfen reagiert. Zu den häufigsten Maßnahmen gehören das Verbot von Zwangsräumungen (in mind. 18 Ländern, teils regional) sowie die Möglichkeit, Hypothekendarlehen zu stunden (in mind. 20 Ländern, teils regional). Auch Deutschland, Österreich und die Schweiz nutzten diese Maßnahmen. Außerdem wurden neue Angebote und Notunterkünfte für Wohnungslose geschaffen (in mind. zehn Ländern) und Regierungen gestatteten Haushalten, Nebenkostenabrechnungen aufzuschieben und öffentliche Dienstleistungen weiter zu beziehen, auch wenn Zahlungen nicht geleistet wurden (in mind. elf Ländern, darunter Deutschland, Österreich und der Schweiz). Diese ursprünglich zeitlich begrenzten Maßnahmen wurden mit Andauern der Krise verlängert und teils zielgenauer ausgerichtet. 

Wohnen macht für die meisten Menschen in den OECD-Ländern den größten Teil ihrer monatlichen Ausgaben aus.

Die Corona-Krise ist aber nicht die Ursache der Herausforderungen beim Thema Wohnen. Schon vor der Krise konnten viele Haushalte kaum ihre Miete bezahlen oder ihre Hypothek bedienen, viele lebten bereits in armen Wohnverhältnissen. Wie die OECD Affordable Housing Datenbank zeigt, ist nicht einmal jede bzw. jeder Zweite in OECD-Ländern zufrieden mit der Verfügbarkeit von erschwinglichem Wohnraum in der eigenen Stadt oder Wohngegend. Vor der Pandemie sagten mehr als zehn Prozent, sie hätten im Vorjahr Zeiten erlebt, zu denen sie nicht die Mittel hatten, für sich und ihre Familie adäquaten Wohnraum zu finanzieren.

Wohnen ist kostspielig – es macht für die meisten Menschen in den OECD-Ländern den größten Teil ihrer monatlichen Ausgaben aus. Im Laufe der vergangenen zwanzig Jahre ist der Anteil der Wohnausgaben an den Gesamtausgaben der Haushalte stärker gestiegen als alle anderen Ausgaben, wie etwa jene für Nahrung, Bekleidung, Transport, Gesundheit und Bildung. Ein Grund sind die steigenden Wohnkosten, speziell für Mieter: Seit 2005 sind die Mieten in fast allen OECD-Ländern gestiegen. Auch die Hauspreise zogen deutlich an. Sie stiegen zwischen 2005 und 2019 um rund 29 Prozent in Deutschland, um 56 Prozent in der Schweiz und 58 Prozent in Österreich – verglichen mit einem OECD-Schnitt von 38 Prozent. Im gleichen Zeitraum stiegen die Mietpreise in Deutschland (19 Prozent) und der Schweiz (18 Prozent) im Vergleich zum OECD-Schnitt (46 Prozent) nur unterdurchschnittlich. In Österreich allerdings stiegen sie um fast 60 Prozent.

Im OECD-Schnitt gibt ein Drittel der einkommensschwachen Mieterinnen und Mieter mehr als 40 Prozent des verfügbaren Einkommens für das Wohnen aus, was statistisch als Überlastung bei den Wohnausgaben gilt. Deutschland hat eine der niedrigsten Überlastungsraten unter den OECD-Ländern: Etwas mehr als 14 Prozent der einkommensschwachen Mieterinnen und Mieter auf dem privaten Wohnungsmarkt und etwa 21 Prozent der einkommensschwachen Immobilieneigentümerinnen und
-eigentümer mit Hypothek gelten als überlastet. Höher ist die Überlastungsrate unter den einkommensschwachen Haushalten in der Schweiz (fast 45 Prozent der Mieterinnen und Mieter auf dem privaten Wohnungsmarkt und 13 Prozent der Eigentümerinnen und Eigentümer mit Hypothek) sowie in Österreich (etwa 24 Prozent der Mieterinnen und Mieter auf dem privaten Wohnungsmarkt und 16 Prozent der Eigentümerinnen und Eigentümer mit Hypothek).

Solche Verletzbarkeiten auf dem Wohnungsmarkt können Zwangsräumungen zur Folge haben und in einigen Fällen auch Wohnungslosigkeit. Mindestens drei Millionen Zwangsräumungsverfahren wurden vor der Corona-Krise in 17 OECD-Ländern auf dem privaten Mietmarkt eingeleitet. In einem Drittel der OECD-Länder hat man steigende Wohnungslosenraten verzeichnet.

Was können Regierungen tun, um Wohnraum für mehr Menschen bezahlbar zu machen?

Es gibt ganze Reihe politischer Maßnahmen, die Regierungen ergreifen können, um Wohnraum bezahlbarer zu machen. Die wohl gängigsten Unterstützungsformen für einkommensschwache Haushalte sind Wohngeld und Sozialwohnungen. Mietpreiskontrollen und Maßnahmen zur Mietpreisstabilisierung gibt es in den meisten OECD-Ländern, sie werden jedoch selten innerhalb der Länder einheitlich angewandt. Darüber hinaus gibt es Maßnahmen, die angehende oder bestehende Eigentümerinnen und Eigentümer unterstützen, wie Steuererleichterungen, Subventionen und Hypothekenhilfen. Viele der gut gemeinten Maßnahmen bergen jedoch die Gefahr, nur kleinen Teilen der Bevölkerung zugute zu kommen und die Preise für andere Gruppen in die Höhe zu treiben. Von Steuererleichterungen zum Erwerb von Wohneigentum zum Beispiel profitieren meist Haushalte mit höherem Einkommen. In angespannten Wohnungsmärkten können öffentliche Wohnbeihilfen von Vermieterinnen und Vermietern ausgenutzt werden und die Gesamtmieten in die Höhe treiben.

Insgesamt kann die Politik insbesondere in drei Bereichen etwas bewegen, und zwar indem sie

1) ihre Investitionen in Sozialwohnungen und bezahlbaren Wohnraum ausweitet. Die öffentlichen Investitionen in den Wohnungsbau sind in den OECD-Ländern seit 2001 im Schnitt um die Hälfte zurückgegangen, während die relative Größe des Sozialwohnungsbestands in den allermeisten OECD-Ländern geschrumpft ist. Die Pandemie macht es noch wichtiger, die öffentlichen Investitionen in den Wohnungsbau auszuweiten. Frankreich, Kanada und andere haben seit Pandemiebeginn bereits große Investitionen in sozialen und bezahlbaren Wohnraum angekündigt.    

2) die öffentliche Unterstützung zielgenauer ausrichtet. Knappe öffentliche Ressourcen sind am besten eingesetzt, wenn man sicherstellt, dass jene, die der öffentlichen Unterstützung am meisten bedürfen, diese auch tatsächlich erhalten. Denkbar ist beispielsweise, Steuervorteile auslaufen zu lassen, die Wohneigentum bei höheren Einkommen begünstigen, und die Abzugsfähigkeit von Hypothekenzinsen abzuschaffen oder zu begrenzen. 

3) den privaten Mietmarkt erschwinglicher macht. Viele OECD-Länder schenken dem privaten Mietmarkt noch zu wenig Aufmerksamkeit. Dabei ist es wichtig, Investitionen in das Mietangebot anzuregen. Zu den möglichen Maßnahmen gehören eine ausgewogenere Regulierung der Beziehungen zwischen Mietenden und Vermietenden sowie in besonderen Fällen auch sorgfältig konzipierte Maßnahmen zur Mietstabilisierung, die einigen notleidenden Mieterinnen und Mietern in angespannten Mietmärkten Erleichterung verschaffen können, langfristig aber möglicherweise das Mietangebot dämpfen.

Unbestreitbar haben viele Haushalte schwierige Monate vor sich. Kurzfristig wird die Anfälligkeit für Wohnungsnot in der Krise zunehmen, wenn nicht einige der Pandemie-Notfallhilfen verlängert werden. Wenn die Krise zu Ende geht, dürfen die langfristigen Probleme auf dem Wohnungsmarkt nicht aus dem Blick geraten. Die Nachfrage nach sozialem und bezahlbarem Wohnraum wird steigen. Wenn Regierungen ihre Wirtschaft nach der Krise wieder ankurbeln wollen, sollten sie nicht versäumen, auch hierauf zu schauen.  

Über die Autoren:

Mark Pearson ist stellvertretender OECD-Direktor für Arbeit, Beschäftigung und Soziales.

Marissa Plouin ist politische Analystin bei der OECD. Sie arbeitet unter anderem zu den Themen Urbanisierung, Wohnungsmarkt und Regierungsführung.

Zum Weiterlesen:

Building for a better tomorrow: Policies to make housing more affordable. OECD-Themenpapier zum Thema bezahlbarer Wohnraum (Januar 2021).

OECD Housing Gateway. OECD-Überblicksseite mit umfassendem Material zum Thema Wohnen.

OECD Affordable Housing Datenbank. Diese Seite stellt länderübergreifende Daten zum Wohnungsmarkt, zur Wohnqualität und zur Erschwinglichkeit von Wohnraum zusammen und erörtert mögliche politische Maßnahmen, um Wohnen für die breite Bevölkerung erschwinglicher zu machen.