Was treibt die Hauspreise?

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Ungeachtet der schweren Wirtschaftskrise, die die COVID-19-Pandemie ausgelöst hat, geht der Aufschwung am Immobilienmarkt in Deutschland in sein zehntes Jahr. In einigen Großstädten zeichnen sich spekulative Übertreibungen ab. Dort wird der Zugang zu bezahlbarem Wohnraum für Mieter*innen mit geringen Einkommen immer schwieriger. Aber welche Faktoren sind für den Preisanstieg verantwortlich und was ist zu tun? Einige halten die expansive Geldpolitik der EZB für den Hauptverursacher steigender Immobilienpreise. Andere sehen in den historisch niedrigen Zinsen eine Chance, den weitgehenden Rückzug des Staats aus dem gemeinnützigen Wohnungsbau seit den neunziger Jahren umzukehren und öffentliche Investitionen in bezahlbaren Wohnraum stark auszuweiten.

Auf Basis von OECD-Analysen, die ländervergleichend strukturelle Faktoren für steigende Hauspreise untersuchen, haben unsere OECD-Expert*innen mit deutschen Forschern am 15. Dezember 2020 verschiedene Hypothesen und Lösungen für den rasanten Immobilienpreisanstieg in deutschen Großstädten diskutiert.

Impulsvorträge:

Volker Ziemann | OECD

Alexandra Effenberger* | BMWi

Diskussion mit:

Claus Michelsen | DIW Berlin

Gunther Schnabl | Universität Leipzig

Moritz Schularick | Universität Bonn

Moderation:

Nicola Brandt | Leiterin des OECD Berlin Centre

Die OECD arbeitet derzeit an einer umfassenden Strategie für Wohnen (OECD Housing Strategy), die untersucht, welche politischen Instrumente ökonomische Effizienz, Teilhabe und Nachhaltigkeit auf dem Wohnimmobilienmarkt verbessern können. Auf Basis dieser Arbeiten zeigte Volker Ziemann auf, dass der Anteil des Einkommens, den Haushalte für Wohnen ausgeben, in vielen OECD-Ländern stark gestiegen ist. Hauptfaktor ist nach OECD-Analysen, dass das Angebot an Wohnungen nicht mit der gestiegenen Nachfrage, aufgrund steigender Realeinkommen und wachsender Bevölkerung, Schritt gehalten hat. Die weltweit niedrigen Zinsen spielen auch eine Rolle. Allerdings ist ihr Einfluss im Vergleich deutlich geringer. Das gilt auch in Deutschland – besonders in dynamisch wachsenden Großstädten, wie Alexandra Effenberger auf Basis des Anfang Dezember erschienenen Wirtschaftsberichts für Deutschland aufzeigte. Die Angebotselastizität auf dem deutschen Wohnimmobilienmarkt, also das Ausmaß mit dem das Angebot auf steigende Nachfrage reagiert, ist sogar vergleichsweise gering.  

Präsentation von Volker Ziemann & Alexandra Effenberger:

Ähnlich wie die OECD sieht Claus Michelsen vom DIW die Hauptursache für die steigenden Preise in den anhaltenden Unterinvestitionen in den Wohnungsbau der letzten 20 bis 25 Jahre. Gründe dafür sieht er in rückblickend zu pessimistischen demografischen Prognosen, dem Ende der  Lohnzurückhaltung und in den von alten Menschen bewohnten Flächen, die im Verhältnis zu Bedarf und Angebot sehr groß sind. Sehr weitgehende Instrumente zur Mietpreiskontrolle, wie beispielsweise das Festlegen von Mietobergrenzen wie in der Berliner Mietpreisbremse, tragen seiner Ansicht nach nicht dazu bei, das Wohnungsangebot elastischer zu machen – das wiederum kann die Hauspreise anheizen. Eine etwas flexiblere Mietpreiskontrolle kann seiner Ansicht nach dem Schutz von Mietern dienen, ohne die Flexibilität des Angebots zu stark zu begrenzen. Als Maßnahme plädiert Michelsen für verstärkte Investitionen in den sozialen Wohnungsbau – auch durch den Einsatz von Baugenossenschaften. Letztere haben insbesondere den Vorteil, dass sie Mietern, die sonst keinen Zugang zu Wohneigentum hätten, eine Art Vermögen verschaffen.

Anders bewertet Gunther Schnabl von der Universität Leipzig die Lage.  Er sieht als Hauptursache für die Entwicklungen auf dem deutschen Wohnimmobilienmarkt die ultra-lockere Geldpolitik der EZB. Die niedrigen Zinsen reduzierten die Finanzierungskosten für Menschen mit ausreichend Sicherheiten. Zudem scheine eine Flucht in Sachwerte eingesetzt zu haben und damit eine spekulative Blase entstanden zu sein. Die EZB stecke nun in einer Falle, da sie befürchten muss, dass durch eine Zinserhöhung die Blase zu platzen droht. Weiter sieht er das Problem nicht primär in zu geringen Investitionen in den Wohnungsbau. Vielmehr stünden auch in vielen Regionen Wohnungen leer, was auf ein räumliches Missverhältnis zwischen Nachfrage und Angebot am Wohnungsmarkt – insbesondere in weiten Teilen Ostdeutschlands – hinweise. Schnabl verweist auch darauf, dass anhaltend steigende Immobilienpreise deutliche Verteilungseffekte zugunsten wohlhabender Bevölkerungsschichten mit Immobilienbesitz bzw. auf Kosten junger Menschen haben. Einen Ausstieg aus der anhaltend lockeren Geldpolitik sowie Regionalpolitik zur Stärkung ländlicher Regionen sind seiner Ansicht nach die richtigen Ansätze zur Lösung des Problems.

Moritz Schularick sieht sowohl in mangelnder Angebotselastizität als auch in den weltweit niedrigen Zinsen Gründe für den raschen Anstieg der Wohnimmobilienpreise. Allerdings sind seiner Ansicht nach nicht Zentralbanken, sondern strukturelle Faktoren dafür verantwortlich. In der Tat treffe der Nachfrageschub auf dem Wohnimmobilienmarkt durch eine wachsende Bevölkerung und das Ende der Lohnzurückhaltung auf ein unzureichendes und dazu noch unelastisches Angebot in Deutschland. Die weltweit  niedrigen Zinssätze verschärften den Anstieg der Hauspreise, denn unter anderem steigt bei niedrigen Zinsen der diskontierte Gegenwartswert erwarteter zukünftiger Mieten, der wesentlich die Kaufpreise determiniert. Zudem werden Immobilien bei sehr niedrigen Zinsen als alternative Anlageform interessanter – auch das beflügelt die Nachfrage. In einem solchen Umfeld könnte eine flexible Mietpreiskontrolle, die am besten die Rate der Mietsteigerung anvisiert, dazu beitragen, einen Ausgleich zwischen Mieter*innen und Eigentümer*innen in einem Umfeld stark steigender Immobilienpreise zu schaffen. Noch wichtiger aber ist für ihn die Devise: Bauen, Bauen, Bauen.

Alle Diskutanten waren sich einig, wie wichtig die effiziente Entwicklung von unbebautem Land ist. Dies spiegelt auch zwei Kernforderungen der OECD wieder:

  • Entscheidungen zur Flächennutzung sollten auf einer Ebene getroffen werden, die das gesamte Einzugsgebiet von Städten umfassen
  • Gespaltene Steuersätze, die Grundstücke höher besteuern als Gebäude, sind effizienter

Mitschnitt der Veranstaltung:

*Alexandra Effenberger war im Rahmen des Wirtschaftsberichts für Deutschland 2020 an die OECD abgeordnet.


Zum Weiterlesen:

The Future of Housing: Policy Scenarios. Szenarien für Wohnungsinvestitionen und reale Hauspreise bis zum Jahr 2050. (Oktober 2020)

Economic Survey of Germany. Der Bericht untersucht die großen Herausforderungen, denen sich Deutschland stellen muss, beurteilt die kurzfristigen Aussichten und formuliert spezifische Politikempfehlungen. (Dezember 2020)