Schlechte Aussichten für Selbstständige

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In Finnland, Kanada oder den USA gibt es eine Versicherungspflicht für Selbstständige in der gesetzlichen Rentenversicherung. Dies könnte auch ein Modell für Deutschland sein.

von Christian Geppert, OECD-Ökonom

Ursprünglich erschienen im Weser-Kurier

Wie sieht es mit der Altersvorsorge für Selbstständige in Deutschland aus? Ein Blick auf die kammerfähigen freien Berufe stimmt positiv. Ärzte oder Anwälte sind obligatorisch von berufsständischen Versicherungen abgedeckt – und das funktioniert auch gut. Doch das Bild trügt.

Für die große Mehrzahl der Selbstständigen gibt es keine Rentenversicherungspflicht in Deutschland. Nur in ganz wenigen anderen OECD-Ländern ist das auch so. Und so haben Menschen in Deutschland, die während ihres Arbeitslebens überwiegend selbstständig gearbeitet haben, nur rund die Hälfte des gesetzlichen Renteneinkommens derjenigen, die überwiegend angestellt waren. Verglichen mit Österreich, wo der Unterschied bei nur 20 Prozent liegt, ist das kein gutes Zeugnis für das deutsche Rentensystem. Ganz zu schweigen von den fehlenden Betriebsrenten für Selbstständige; und bedeutend mehr Ersparnisse haben sie im Schnitt auch nicht – ihr Armutsrisiko ist hingegen höher. Die Lage scheint zudem eher schlechter zu werden. Bei Solo-Selbstständigen, die in der digitalen Transformation voraussichtlich zunehmen werden, ist die Altersvorsorge seit Mitte der 2000er-Jahre rückläufig.

Also was ist die Lösung? In Finnland, Kanada oder den USA gibt es eine Versicherungspflicht für Selbstständige in der gesetzlichen Rentenversicherung mit Beiträgen wie für Arbeitnehmer. Dies würde auch denjenigen einen Grundstock an Einkommen im Alter garantieren, die nicht ausreichend vorsorgen.

Natürlich sollten Selbstständige mit einer adäquaten Altersvorsorge aus der Vergangenheit, die sie verpflichtet, nach der Reform weiter einzuzahlen, ein Opt-out-Wahlrecht für die gesetzliche Rentenversicherung bekommen. Der damit verbundene Test, ob die bestehende Vorsorge gut genug absichert, wäre natürlich ein administrativer Mehraufwand, der genau umgrenzt werden muss. Für alle anderen macht das Punktesystem der gesetzlichen Rentenversicherung die Einführung einfach, Anwartschaften erwirbt man ja nur in den Beitragsjahren.

Bei dieser Gelegenheit könnte man auch gleich die Beamten mit in die gesetzliche Rente einbeziehen. Deutschland ist eines von nur vier OECD-Ländern, in denen die Beamten noch ein vollkommen separates Rentensystem haben. Eine Lösung wie in Österreich, in der nur neue Beamte einbezogen werden, sollte die Akzeptanz einer solchen Reform erhöhen. Nun müssen nur noch die Politiker wollen.

Über den Autor:

Christian Geppert ist bei der OECD in Paris als Ökonom mit Schwerpunkt Sozialpolitik tätig. In seiner Arbeit beschäftigt er sich insbesondere mit Rentensystemen und Arbeits- und Kapitalmärkten in Bezug zur Bevölkerungsalterung.

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