Raus aus der Schattenwirtschaft: Wie haushaltsnahe Dienstleistungen formalisiert und besser sozial abgesichert werden können

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Putzen, kochen, aufräumen … dass es Hausangestellte gibt, die diese Arbeiten übernehmen, ist besonders für Familien eine große Entlastung und eine wichtige Voraussetzung für eine höhere Erwerbsbeteiligung von Frauen. Jedoch arbeiten viele Hausangestellte in prekären Beschäftigungsverhältnissen. In keinem anderen Berufsfeld gibt es einen so hohen Anteil von (zumeist weiblichen) Beschäftigten, die nur unzureichend sozial abgesichert sind.

Zwei Studien von OECD und ILO beschäftigen sich deshalb damit, wie wir zu einer höheren Formalisierung und besseren Absicherung von Hausangestellten kommen können.

In einem Webinar am 7. Juli 2021 haben wir die Ergebnisse der Studie vorgestellte und politische Handlungsoptionen diskutiert.

Impulsvorträge: 

Willem Adema (auf Englisch) und Jonas Fluchtmann | OECD 
Annette Niederfranke | International Labour Organization (ILO)

Diskussion mit:

Monika Queisser | OECD
Juliane Seifert | Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend

Moderation:

Matthias Rumpf | OECD Berlin Centre

Kernpunkte der Diskussion:

Weltweit arbeiten etwa 75,6 Millionen Menschen als Hausangestellte. Fast zwei Drittel von ihnen sind informell beschäftigt. Hierzulande erledigen ganz überwiegend Frauen haushaltsnahe Dienstleistungen. ILO-Daten zufolge machen sie in Europa und Zentralasien 85 Prozent der Hausangestellten aus. In arabischen Ländern überwiegt hingegen der Anteil der Männer.

Die Domestic Workers Convention der Internationalen Arbeitsorganisation, die 2011 fast einstimmig von den ILO-Mitgliedsstaaten verabschiedet wurde, hat internationale Standards für die Arbeit von Hausangestellten gesetzt. Deutschland hat das Übereinkommen 2013 ratifiziert. Obwohl sich seitdem die rechtliche Absicherung für Hausangestellte in vielen Ländern deutlich verbessert hat – etwa was Arbeitszeiten, den Arbeitsschutz und den Mindestlohn angeht – hapert es an der praktischen Umsetzung. Noch immer dominieren informelle, schwarz entlohnte Arbeitsverhältnisse.

Viele Länder haben versucht, die Arbeit von Hausangestellten zu formalisieren. Erfolgreich waren dabei vor allem die Länder, die die formale Anstellung von Hausangestellten besonders stark finanziell bezuschussen – wie etwa Frankreich, wo dies über Steuererleichterungen geschieht, oder Belgien, wo dies über ein Gutscheinsystem abgewickelt wird. Belgien gibt jährlich etwa einen halben Prozent seines BIP dafür aus, haushaltsnahe Dienstleistungen (Pflege/Sorgearbeit fällt in Belgien nicht darunter) zu bezuschussen. Dadurch ist der Anteil der Haushalte, die über das Gutscheinsystem Hausangestellte beschäftigen, innerhalb von einem Jahrzehnt von fünf Prozent (in 2005) auf 23 Prozent (in 2016) angestiegen.

In Deutschland gibt es über den Haushaltsscheck ein vereinfachtes Meldeverfahren für Hausangestellte. Die im europäischen Vergleich geringe Zahl formal beschäftiger Hausangestellter in Deutschland (218.000 in 2018) lässt jedoch vermuten, dass der Anteil der schwarz arbeitenden Arbeitskräfte in Deutschland sehr hoch ist.

Um das Problem zu beheben, muss ein formales Anstellungsverhältnis für beide Seiten attraktiv sein. Es muss sich finanziell lohnen und einfach und möglichst unbürokratisch umsetzbar sein. Für viele Familien ist es abschreckend, für die Inanspruchnahme einer Haushaltshilfe für wenige Stunden pro Woche zum Arbeitgeber zu werden, mit allen rechtlichen Konsequenzen, die dies hat. Für Hausangestellte wiederum ist es meist wichtig, dass sie problemlos für mehrere Haushalte arbeiten können. Der Gesetzgeber sollte hier einen Rahmen setzen, der es vereinfacht, sich Arbeitsleistungen zu kaufen – beispielsweise, indem eine Vermittlungsorganisation als Arbeitgeber fungiert. Über diese Organisation könnten dann Haushalte Gutscheine über eine bestimmte Anzahl von Arbeitsstunden erwerben. Das BMFSFJ hat das in entsprechenden Modellprojekten getestet. Vorbild war hier Belgien.

Auch Online-Plattformmodelle, wie es sie schon in anderen Bereichen gibt, sind denkbar und werden auch schon angewandt. Damit sie eine echte Verbesserung bringen, müssen sie aber staatlich kontrolliert werden und sozialversicherungspflichtige Arbeitsverhältnisse ohne Scheinselbstständigkeit schaffen.

Ändern müssen sich den Expert:innen zufolge aber nicht nur die Rahmenbedingungen. Auch die in vielen Ländern vorherrschende Haltung zu haushaltsnahen Dienstleistungen müsste sich ändern. Haushaltstätigkeiten werden tendenziell eher gering geschätzt, nach dem Motto „das kann jeder“. Dabei kann der ökonomische Wert der unbezahlten Hausarbeit, die zum Großteil von Frauen übernommen wird, mit konservativen Schätzungen so groß wie die Wertschöpfung des verarbeitenden Gewerbes beziffert werden.

Haushaltsnahe Dienstleistungen im Rahmen von abgesicherten Arbeitsverhältnissen zu erbringen, ergibt auch volkswirtschaftlich Sinn. Denn dadurch können fachlich qualifizierte Frauen in einem größeren Umfang den Arbeitsmarkt zur Verfügung stehen und so helfen, den Fachkräftemangel abzumildern.

Zum Weiterlesen:

Bringing Household Services Out of the Shadows: Formalising Non-Care Work in and Around the House. OECD-Studie (7. Juli 2021)

Making decent work a reality for domestic workers: Progress and prospects ten years after the adoption of the Domestic Workers Convention, 2011 (No. 189). ILO-Bericht (15. Juni 2021)

Hilfe im Haushalt. Portal des BMFSFJ, das über haushaltsnahe Dienstleistungen informiert und den Zugang zu legalen Beschäftigungsverhältnissen in diesem Bereich erleichtern soll

Titres services. Informationsseite zum belgisches Gutscheinsystem für haushaltsnahe Dienstleistungen