Junge Ideen für eine bessere Zukunft nach Corona

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Von Anthony Gooch

Dieser Beitrag ist die deutschsprachige Fassung des im OECD Forum Network erschienenen Artikels Providing Youth with an Opportunity to Shape the post-COVID World: “Youthwise” for a Better Tomorrow.

In den letzten Jahren haben junge Menschen rund um den Globus bei der Bewältigung der großen gesellschaftlichen Herausforderungen der Gegenwart eine wichtige Rolle gespielt und dem Kampf gegen den Klimawandel und wachsende Ungleichheiten die nötige Dringlichkeit verliehen. Von ihrer Energie, Vision, Entschlossenheit und Ungeduld gehen neue Impulse und ein beträchtlicher Druck aus, den Worten nun auch Taten folgen zu lassen. Sie haben maßgeblich dazu beigetragen, dass ein Umdenken eingesetzt hat.

Doch inwieweit sehen die jungen Menschen das selbst so? Haben sie den Eindruck, wirklich etwas zu bewegen? Haben sie das Gefühl, dass man ihnen zuhört? Und was wohl am wichtigsten ist: Wie zuversichtlich sind sie, dass die Akteure und Institutionen unserer Demokratien, die in ihrem Sinne handeln sollten, ihrem Auftrag tatsächlich gewachsen sind? Die jüngste OECD-Studie zu diesem Thema ist ernüchternd: Im Vergleich zur Generation ihrer Eltern sind junge Menschen tendenziell weniger überzeugt, dass sie in der politischen Debatte Gehör finden, sie haben weniger Vertrauen in die Regierung und sind eher demokratieverdrossen. Dies sollte uns zu denken geben.

Die durch die COVID-19-Pandemie ausgelöste Gesundheits-, Wirtschafts- und Sozialkrise hat zahlreiche bereits zuvor existierende Trends beschleunigt und verstärkt. Es ist also naheliegend, dass sich dies auch im Engagement und in den Erwartungen der jungen Menschen niederschlägt. Entscheidend ist vor allem, ob diese Krise als Chance genutzt wird, einen positiven Wandel unserer Gesellschaften anzustoßen, oder ob sie die Hoffnungen und Träume junger Menschen zunichtemachen und bleibende Narben hinterlassen wird.

Die COVID-19-Krise hat schon jetzt beträchtliche Auswirkungen auf das Leben junger Menschen. Die Bildung von 1,6 Milliarden jungen Menschen wurde massiv beeinträchtigt und nach der Ausbildung sind die Aussichten heute zumeist ziemlich düster. Das Online-Lernen hat exponentiell zugenommen, bei den Rahmenbedingungen sind jedoch sowohl auf globaler als auch auf Länderebene große Unterschiede festzustellen. Der Anteil der Schüler*innen, die Zugang zum Internet haben sowie zu einem Computer, den sie für die Schule nutzen können, und die zu Hause einen ruhigen Platz zum Lernen haben, ist je nach Wohnort sehr unterschiedlich.

Obwohl in vielen OECD-Ländern Sofortmaßnahmen ergriffen wurden, war Ende 2020 ein Siebtel der jungen Menschen im erwerbsfähigen Alter arbeitslos. Es ist schwer, in der Pandemie über die Runden zu kommen. Besonders armutsgefährdet sind Haushalte, denen unter 35-Jährige vorstehen, die Einkommenseinbußen hinnehmen müssen.

Am düsteren Horizont zeichnet sich allerdings ein Silberstreif ab: Die jungen Menschen zeigen sich in der Pandemie resilient und aktiv und stärken mit ihrer gemeinnützigen Arbeit den dringend benötigten sozialen Zusammenhalt. Sie stehen an erster Stelle, wenn es darum geht, isolierten älteren Menschen in Pflegeeinrichtungen zu helfen oder Jugendlichen mit psychischer Beratung und Lernunterstützung zur Seite zu stehen.

Viele OECD-Länder haben angesichts der Krise auch gezielte Unterstützungsmaßnahmen für junge Menschen ergriffen. Kanadas COVID-19 Economic Response Plan umfasst u. a. Maßnahmen, die es jungen Menschen ermöglichen, in der Pandemie Einkommensersatzleistungen zu beziehen, sich weiterzubilden und sich im Rahmen von gemeinnützigen Tätigkeiten vor Ort zu engagieren. In Deutschland, Irland, Portugal und im Vereinigten Königreich wurden Leitfäden für junge Menschen erstellt, damit sie während des Lockdowns besser zurechtkommen. Auch die Sofortmaßnahmen zur Unterstützung von einkommenschwachen Haushalten und Arbeitslosen sind jungen Menschen zugutegekommen.

Es muss jedoch noch mehr getan werden, um die Auswirkungen der Krise abzufedern und die Weichen für die Welt nach Corona zu stellen. Die Belastungen der Pandemie haben uns einmal mehr vor Augen geführt, wie essenziell enge soziale Bindungen für das Wohlergehen der Menschen sind. Dies zeigt, wie wichtig es ist, den Zusammenhalt und den Gemeinsinn zu stärken, die Grundvoraussetzung für einen erfolgreichen und nachhaltigen Wiederaufbau sind.

Inwiefern kann die OECD dazu beitragen? Der OECD geht es um „eine bessere Politik für ein besseres Leben“. Mit diesem einfachen und doch ehrgeizigen Leitsatz gab die Organisation dem vor 60 Jahren erteilten Gründungsauftrag, „das wirtschaftliche und soziale Wohlergehen der Menschen zu fördern“, nach der Finanzkrise eine neue Ausrichtung. Nach 2008 schien es der OECD dringend geboten, besser zu verstehen, was für die verschiedenen Bevölkerungsgruppen am wichtigsten ist. Daher schloss sich die Organisation den Bemühungen zur „Wohlstandsmessung jenseits des BIP“ an und weitete sie aus, um bessere Messgrößen für den gesellschaftlichen Fortschritt zu entwickeln und die verschiedenen für die Lebensqualität der Menschen ausschlaggebenden Dimensionen zu beleuchten.

Der OECD Better Life Index war die erste OECD-Initiative, bei der die breite Öffentlichkeit eingebunden wurde. Dank dieses Index können die Ergebnisse der einzelnen Länder in Bezug auf das gesellschaftliche Wohlergehen in Bereichen wie Beschäftigung, Gesundheit, Sicherheit und Umwelt visualisiert und miteinander verglichen werden. Bei dieser Initiative – und dies ist für den gegenwärtigen Kontext besonders relevant – wurde die Öffentlichkeit gefragt, welche Aspekte des Lebens für ihr Wohlergeben am wichtigsten sind. Dabei haben bereits lange vor der COVID-19-Pandemie Millionen von Menschen Gesundheit, Bildung und Lebenszufriedenheit als besonders wichtig eingestuft. Seither sind zehn Jahre vergangen und die OECD unterstützt die Länder auch heute noch dabei, die Lebensqualität der Bürger*innen zu verbessern.

Die Auswirkungen der Pandemie sind trotz der angelaufenen Impfkampagnen nach wie vor spürbar. Für einen erfolgreichen Wiederaufbau müssen wir die Visionen und Erfahrungen jeder Generation berücksichtigen. Für die jungen Menschen steht dabei am meisten auf dem Spiel und sie haben sich im Lauf der Zeit am stärksten engagiert. Daher müssen sich die einzelnen Länder und Organisationen wie die OECD stärker darum bemühen, ihre Anliegen ins Zentrum der Wiederaufbaustrategien zu rücken. Den jungen Menschen müssen Möglichkeiten und Mittel geboten werden, zur Gestaltung einer besseren Zukunft beizutragen.

Aus diesem Grund startet die OECD die Initiative Youthwise, bei der junge Menschen ihre Erfahrungen, Hoffnungen, Ängste, Erkenntnisse, Ziele und Anliegen einbringen können. Ihre Beiträge sollen in die Arbeit der OECD einfließen, um sie stärker auf ihre Bedürfnisse auszurichten. Den Veränderungen am Arbeitsmarkt und bei den Kompetenzanforderungen sowie der Zukunft der Arbeit wird dabei ein besonderes Augenmerk gelten.

OECD Forum 2019: „Any ideas boss? The future of work“, 20. Mai 2019. Photo: Victor Tonelli/OECD

Die Teilnehmer*innen der Initiative werden der OECD und den betroffenen Akteuren die Erkenntnisse und Ideen der jungen Generation näherbringen. Sie werden zur Neugestaltung des Youth Action Plan der OECD beitragen, an OECD-Veranstaltungen und -Aktivitäten wie dem OECD Forum und dem Global Parliamentary Network teilnehmen, sich bei den interaktiven Y20-Workshops mit anderen jungen Führungskräften austauschen und Veranstaltungen in ihren Gemeinden und Netzwerken leiten.

Daher fordere ich die 15- bis 30-Jährigen aller OECD-Länder auf, mit uns zusammenzuarbeiten. Wir wollen und brauchen Ihre Ideen! Besuchen Sie unsere neue Plattform I am the Future of Work, Now What?!, um an unserer Umfrage teilzunehmen und mehr darüber zu erfahren, wie sich die Veränderungen im Bildungs- und Beschäftigungsbereich auf junge Menschen auswirken. Vielleicht ist dies auch für andere in Ihrem Umfeld von Interesse?

Gemeinsam werden wir einen Weg aus der Krise finden. Mit Ihrer Hilfe sind Wiederaufbau, Ideen und Mut für eine bessere Zukunft möglich.

Über den Autor:

Anthony Gooch ist OECD-Direktor für Public Affairs and Communications.

Zum Weiterlesen:

I am the Future of Work, Now What?! OECD-Umfrage für 15- bis 30- Jährige

COVID-19: Die Krise bewältigen. Alle Analysen und Empfehlungen der OECD zur Corona-Pandemie