Weltweit können derzeit 1,7 Milliarden Schülerinnen und Schüler wegen der Covid-19-Pandemie nicht wie gewohnt zur Schule gehen und müssen, wo immer das möglich ist, zuhause lernen. Eigentlich bietet Deutschland für das Lernen auf Distanz vergleichsweise gute Voraussetzungen: Neun von zehn Schülerinnen und Schülern haben zuhause einen ruhigen Platz zum Lernen und vier von fünf haben Zugang zum Internet und den entsprechenden Endgeräten. Das ist nicht überall auf der Welt selbstverständlich.
Dennoch sind die Herausforderungen groß. Es mangelt an technischer Ausstattung in den Schulen, aber auch an pädagogischem Know-How, um Inhalte digital zu vermitteln. Gleichzeitig besteht die Gefahr, dass sozial benachteiligte Schülerinnen und Schüler beim Lernen auf Distanz den Anschluss verlieren. Wie diese Herausforderungen bewältigt werden können und ob die Digitalisierung der Schule durch die Krise vielleicht auch einen Schub erfahren könnte, war Thema eines gemeinsamen Online-Seminars des OECD Berlin Centre und der Konrad-Adenauer-Stiftung am 7. Mai 2020.
Es diskutierten:
Andreas Schleicher, Leiter der Bildungsdirektion der OECD
Karin Prien, Ministerin für Bildung, Wissenschaft und Kultur des Landes Schleswig-Holstein
Susanne Lin-Klitzing, Vorsitzende des Deutschen Philologenverbands und Mitglied der Expertengruppe Bildung der Konrad-Adenauer-Stiftung
Moderation: Felise Maennig-Fortmann, Konrad-Adenauer-Stiftung und Matthias Rumpf, OECD Berlin Centre
Der Shutdown hat die Schulen in Deutschland anfänglich „kalt erwischt“. Wie Andreas Schleicher in seiner Präsentation „Education disrupted – education rebuilt“ darlegte, klagen Schulleitungen im Deutschland überdurchschnittlich häufig über fehlende technische Ausstattung, über langsames WLAN, nicht vorhandene Lernplattformen oder darüber, dass weder für Lehrkräfte noch für Schülerinnen und Schüler E-Mail-Adressen zur Verfügung stehen. Auch mangele es an digitaler Kompetenz der Lehrkräfte und an digitalen Unterrichtskonzepten. Während Deutschland seinen Lehrkräften bei der Erstausbildung recht erfolgreich digitale Unterrichtsformen und Elemente vermittle, gebe es Nachholbedarf bei der Weiterbildung. Dafür bleibe angesichts der hohen Stundendeputate in Deutschland nur wenig Zeit.
Die Präsentation von Andreas Schleicher:
Auch Karin Prien räumte ein, dass Deutschland in Sachen Digitalisierung der Schule Nachholbedarf habe, unterstrich aber, dass der Aufholprozess bereits begonnen habe. In den vergangenen Wochen habe es viele Verbesserungen gegeben. Nun gehe es darum, möglichst schnell bessere Bedingungen zu schaffen, unter anderem über die Mittel des Digitalpakts. Susanne Lin-Klitzing forderte, dass die Schulen über die Sommerferien digital modernisiert werden müssen.
Alle Gäste betonten, dass die Krise helfe, Schwachstellen zu identifizieren und dass sie Veränderungen beschleunige – nicht nur technisch, sondern auch konzeptionell. So gebe es auf Schulebene neue Formen der Zusammenarbeit, sei es unter Lehrkräften, die gemeinsam digitale Inhalte erarbeiten, oder wenn Schulgremien digital tagen. Auch würden viele Fortbildungen für Lehrkräfte jetzt als Online-Seminare angeboten.
Alle Gäste waren sich einig, dass eigenverantwortliches Lernen der Schülerinnen und Schüler als Kompetenz für morgen an Bedeutung gewinnen muss. Die Coronakrise mache die zentrale Bedeutung der Schule für die Gesellschaft noch deutlicher und könne dazu beitragen, die Schule fit für das 21. Jahrhundert zu machen.