COVID-19 – und jetzt? Über die Zukunft der Arbeit und digitale Chancen in ländlichen Räumen

Photo Credit: Shutterstock/Jaem Prueangwet

COVID-19 hat die Arbeitswelt in vielerlei Hinsicht in die Digitalisierung katapultiert. Viele Beschäftigte mussten von heute auf morgen ihren Arbeitsplatz nach Hause verlegen. Digitale Besprechungen ersetzen seither häufig Zusammenarbeit im Büro und Dienstreisen. Einige Unternehmen führen sogar Tätigkeiten digital durch, für die viele bis vor kurzem noch persönlichen Kontakt für unerlässlich gehalten hätten, wie etwa die Abnahme von Maschinen. Auch für berufliche Aus- und Weiterbildung mussten Unternehmen und Bildungsträger Berührungsängste überwinden und rasch digitale Formate entwickeln.

In einer gemeinsamen Veranstaltungsreihe haben die OECD und die Wachstumsregion Ems-Achse zusammen mit Unternehmer*innen und Beschäftigten aus dem Ems-Gebiet sowie Partnerregionen in den Niederlanden und Deutschland ausgelotet, wie ländliche Räume diesen Digitalisierungsschub für erfolgreichen Strukturwandel nutzen können, und konkrete Vorschläge erarbeitet. Die Reihe war Teil der OECD-Kampagne zur Zukunft der Arbeit. Medienpartner war die Neue Osnabrücker Zeitung. Unterstützt wurde sie von IBM.

Veranstaltung 1:Digitales Lernen nach dem COVID-Schock“ (Webinar)

Veranstaltung 2:Arbeiten von Zuhause – was bleibt nach der Pandemie?“ (Webinar)

Veranstaltung 3:Zukunft der Arbeit in ländlichen Räumen“ (Podiumsdiskussion und Workshops)

OECD-Arbeitsmarktökonomin Anja Meierkord bei ihrem digitalen Vortrag in der Landwehr-Akademie Wietmarschen. 24. September 2020.

Das Ems-Gebiet ist geprägt von einer Vielzahl mittelständischer Betriebe, die häufig weltweit operieren und gleichzeitig als traditionsreiche Familienunternehmen fest in ihrer Region verwurzelt sind. Der Anteil der Beschäftigung in der Industrie ist vergleichsweise hoch und wächst stark überdurchschnittlich. Die Unternehmen der Region erwarten, dass der Fachkräftemangel auch nach der Krise eine Herausforderung sein wird. Trotz eines deutlichen Wandels der Tätigkeiten in der Industrie durch Automatisierung, ist die Weiterbildungsbeteiligung in Deutschland im internationalen Vergleich eher Mittelmaß. Umso dringlicher stellt sich die Frage, wie es gelingen kann, Trends wie Home-Office, die Entwicklung digitaler Kompetenzen sowie neue Geschäftsmodelle und e-Learning für erfolgreichen Strukturwandel und Fachkräftesicherung zu nutzen.

Deshalb haben Unternehmer*innen und Beschäftigte aus dem Ems-Gebiet und Partnerregionen in den Niederlanden und Deutschland gemeinsam die folgende Strategie erarbeitet:

Home-Office – Chancen nutzen, Barrieren beseitigen

Chancen nutzen: Home-Office hat es nicht nur vielen Unternehmen erlaubt, während des Lockdowns den Betrieb aufrecht zu erhalten. Es hat in den meisten Fällen auch das Vertrauen in der Arbeitsbeziehung gestärkt, weil sich zeigte, dass auch ohne ständige Überwachung im Büro gute Leistung erbracht wird. Unternehmen sehen in Telearbeit außerdem die Chance, in einem weiteren Radius rekrutieren zu können, ohne dass neue Angestellte zwingend sofort in die Region umziehen müssen. Dadurch wird Home-Office zu einem Instrument gegen den Fachkräftemangel. Die Region hat auch Coworking-Räume eingerichtet, um digital arbeitende Menschen aus den Städten anzuziehen, die gerne auf dem Land leben würden.

Barrieren beseitigen: Viele Barrieren für mobiles Arbeiten sind bereits sowohl in den Geschäftsführungen vieler Unternehmen als auch bei ihren Beschäftigten gefallen. Zahlreiche Unternehmen wollen regelmäßig Home-Office-Tage zulassen. Bei guter Organisation und geschickter Kombination mit Präsenztagen und persönlicher Zusammenarbeit im Betrieb kann das produktiveres Arbeiten und eine bessere Vereinbarkeit mit dem Familienleben ermöglichen. Jetzt müssen Beschäftigte und Arbeitgeber gemeinsam klare Regeln erarbeiten, um eine Entgrenzung von Arbeit und Privatleben im Home-Office zu verhindern und professionellen Umgang mit IT-Sicherheit und Datenschutz sicherzustellen. Auch verlangt Telearbeit in größerem Stil eine andere Führungs- und Managementkultur, für die Weiterbildung notwendig sein kann. Und es ist wichtig, dass Menschen im Home-Office in die Betriebskultur eingebunden werden, sodass ein echtes Zugehörigkeitsgefühl entstehen kann.  

Weiterbildung – Motivieren, orientieren, gemeinsam nutzbar machen

Motivieren: Wegen der Digitalisierung ist für viele Menschen Weiterbildung notwendig, um ihre Beschäftigung zu sichern und nicht den Anschluss zu verlieren. Das gilt es zu vermitteln, aber auch die darin liegenden Chancen, wie bessere Bezahlung, interessante Tätigkeiten und neue Karriereoptionen. Denkbar ist etwa, dass Mitarbeitende Teilqualifikationen ansammeln und dadurch ihre Aufstiegschancen erhöhen. Fortbildungen am Arbeitsort und während der Arbeitszeit nehmen Beschäftigte eher an. Auch Kostenübernahme durch den Arbeitgeber steigert die Weiterbildungsbereitschaft. Einige Unternehmen im Ems-Gebiet haben gute Erfahrungen damit gemacht, Jung und Alt gemeinsam lernen zu lassen, damit Jüngere ihre digitalen Kenntnisse weitergeben können, während Ältere ihre Erfahrung teilen. Das kann insbesondere älteren und geringqualifizierten Arbeitskräften die Scheu vor digitalen Möglichkeiten nehmen. Unternehmen sollten dafür sorgen, dass diesen Mitarbeitenden die Chancen der neuen Technik in einer für sie verständlichen Sprache aufgezeigt werden, sodass auch sie davon profitieren.

Orientieren: Der Weiterbildungsmarkt ist aus Sicht der Unternehmen und Beschäftigten unübersichtlich. Qualitätsstandards und transparente Zertifizierungen wären hilfreich. Besonders für kleinere Unternehmen und ihre Beschäftigten wäre eine allumfassende Weiterbildungsberatung hilfreich, die ihnen Weiterbildungsbedarf und passende Angebote aufzeigt. Eine Möglichkeit sehen die Unternehmen darin, diese Beratung in einem gemeinsamen Unternehmensnetzwerk wie der Ems-Achse selbst zu organisieren. Sinnvoll wäre es insbesondere nach der COVID-19-Krise, ein regionales Weiterbildungskonzept zur gemeinsamen Orientierung zu erstellen, damit klar ist, welche Kompetenzen nach dem Strukturwandel besonders stark nachgefragt werden.

Gemeinsam nutzbar machen: Ein regionales Weiterbildungsnetzwerk würde es ermöglichen, Ausbildungen für Basiskompetenzen, wie etwa digitale Kenntnisse, zu bündeln und zum Teil zu automatisieren. Um- und Weiterbildung ist am vielversprechendsten, wenn sie auf Augenhöhe stattfindet und über gelungene Praxisbeispiele von Unternehmen zu Unternehmen weitergegeben wird. Entsprechend könnten die Unternehmen für Standard-Weiterbildungen ein Repertoire an Lehrfilmen und digitalen Lernprogrammen anlegen, auf das alle zugreifen können. Außerdem könnten sie Wissen und Techniken darüber austauschen, wie man Weiterbildung interessant und effektiv gestaltet.

Jugendliche und Auswärtige für die Region und ihre Jobchancen begeistern

Ländliche Gebiete mit Fachkräftemangel sollten gezielt mit Marketingkampagnen für Jobs in ihrer Region werben und zwar sowohl in Schulen, um Schülerinnen und Schülern interessante Berufsoptionen aufzuzeigen, als auch an Hochschulen, Weiterbildungseinrichtungen und Jobbörsen  außerhalb der Region. Regionen und Unternehmen sollten sich dafür stärker als bisher zusammenschließen. Regionen, von denen aus größere Städte noch erreichbar sind, werden es leichter haben, für sich zu werben. Aber insbesondere für Jobs, die komplett oder nahezu komplett im Home-Office ausgeführt werden können, lässt sich auch in weit entfernten Gegenden werben. Neben der größeren Reichweite ist auch eine zielgenaue Suche wichtig. So könnten Unternehmen beispielsweise ausschließlich Studierende bestimmter Fachrichtungen anwerben, auch in entfernten Gegenden. Die Digitalisierung kann die Kooperation mit umliegenden Hochschulen sehr erleichtern, Studierende können gegebenenfalls aus dem Home-Office als Werkstudierende rekrutiert werden. Ländliche Regionen, die wie das Emsland stark grenzüberschreitend kooperieren, können die Digitalisierung außerdem nutzen, um für Pendler aus dem Nachbarland attraktiver zu werden – beispielsweise durch ein gemeinsames Mobilfunknetz und bessere Kooperation im Steuer-  und Sozialversicherungsbereich.


Weiterführendes Material:

– Strukturwandel –

Präsentation von OECD-Ökonom Lukas Kleine-Rüschkamp:

Weiterlesen:

From Pandemic to Recovery: Local Employment and Economic Development. OECD-Themenpapier (April 2020)


– Home-Office –

Präsentation von Rüdiger Ahrend, Abteilungsleiter am OECD-Zentrum für Unternehmertum, KMU, Regionen und Städte:

Weiterlesen:

Mit dem Homeoffice-Potenzial können auch die Lockdown-Kosten verschiedener Standorte variieren. OECD-Themenpapier (Juni 2020)


– Weiterbildung –

Präsentation von OECD-Arbeitsmarktökonomin Anja Meierkord:

Weiterlesen:

Adult Learning. OECD-Überblicksseite zum Thema Weiterbildung.

IBM-Aktivitäten im Bereich CSR, darunter auch zum Thema Aus- und Weiterbildung. Das Programm Reignite soll Kommunen, Unternehmen und Einzelpersonen helfen, nach der Krise wirtschaftlich leichter wieder auf die Beine zu kommen.