Deutschland digitalisieren – Erfolge, Ziele, Barrieren

Die digitale Transformation ist eine große Chance, die es zu nutzen gilt, insbesondere um nach der COVID-19-Pandemie einen starken und nachhaltigen Aufschwung zu sichern und die deutsche Wirtschaft zu modernisieren. Diesen Prozess zu beschleunigen ist eine Priorität der deutschen Wirtschaftspolitik. Deshalb fokussieren sich der aktuelle OECD-Wirtschaftsbericht und ein Teil des Jahresgutachtens des Sachverständigenrats für Wirtschaft beide auf das Thema Digitalisierung.

In einem gemeinsamen Webinar des OECD Berlin Centre und des Sachverständigenrats zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung (Sachverständigenrat für Wirtschaft) am 17. Dezember wurden zentrale Ergebnisse beider Berichte vorgestellt. Darüber hinaus haben wir mit Politik, Start-Up Unternehmen und Wissenschaft diskutiert, wie eine Verbesserung der Infrastruktur und digitaler Kompetenzen, sowie schnellere Verbreitung moderner digitaler Technologien Geschäftsmodelle und Innovation stärken kann.

Impulsvortrag zum Jahresgutachten:

Monika Schnitzer | Sachverständigenrat für Wirtschaft und Ludwig-Maximilians-Universität München

Impulsvortrag zum OECD-Wirtschaftsbericht:

David Gierten, Maximilian Reisch und Verena Weber | OECD

Diskussion mit:

Peter Parycek | Kompetenzzentrum Öffentliche IT (ÖFIT)

Stefan Schnorr | Bundesministerium für Wirtschaft und Energie

Miriam Wohlfarth | Ratepay

Moderation:

Nicola Brandt | OECD Berlin Centre

Monika Schnitzer sieht viel Verbesserungsbedarf bei der Digitalisierung in Deutschland – KMUs verhalten sich bei den Innovationsausgaben zurückhaltend und im internationalen Vergleich fällt Deutschland zurück, wenn es um die Digitalisierung von Bildung, öffentlicher Verwaltung und dem Gesundheitswesen geht. Die Lösung hierfür sieht Schnitzer in verbesserten Rahmenbedingungen: Der Breitbandausbau sollte gestärkt, Digitialisierungskompetenzen erhöht und mehr Digitalisierungsanreize gesetzt werden. Darüber hinaus sollten Wettbewerbsregeln für die Datenwirtschaft gezielt verbessert werden, während innovative, plattformbasierte Geschäftsmodelle vor allem von einer Vertiefung des digitalen Binnenmarkts profitieren würden.

Auch David Gierten, Verena Weber und Maximilian Reisch von der OECD sehen Handlungsbedarf. Verena Weber betont insbesondere den Ausbau von Glasfasernetzen, bei dem Deutschland Potential für eine erfolgreiche Digitalisierung ungenutzt lässt und im internationalen Vergleich weit zurückfällt. Das von der Regierung zur Verfügung gestellte Geld für den Breitbandausbau kommt nicht in den Boden. Darüber hinaus sollte sowohl im mobilen- als auch im Festnetzbereich der Wettbewerb im Auge behalten werden. Abhilfe könnte unter anderem verbesserte Koordinierung und eine Entschlackung des Verwaltungsaufwands bei öffentlichen Stellen schaffen. Im Mobilbereich ist es zudem wichtig, dass die Chancen für einen stärkeren Wettbewerb, durch den kürzlich erfolgten Eintritt des vierten Players, nicht verspielt werden. David Gierten sieht darüber hinaus Verbesserungsmöglichkeiten für eine datenbasierte Wertschöpfung in einer Unternehmensdynamik, die weiter gefördert werden sollte um IKTs weiter zu verbreiten. Dies beinhaltet auch eine beschleunigte generelle Digitalisierung der öffentlichen Hand. Außerdem sollten die Rahmenbedingungen für Investitionen in wissensbasiertes Kapital verbessert werden. Höhere Investitionen sollten zudem in der Primarbildung getätigt, Grundkompetenzen in beruflicher Bildung gestärkt und mehr IKT-Fortbildungen für Lehrkräfte ermöglicht werden.

Miriam Wohlfahrt weiß aus ihrer Erfahrung als erfolgreiche Gründerin sehr gut, wo es besonders für junge Digitalunternehmen in Deutschland hakt. Die Digitalisierung wird momentan nicht ausreichend in die Schulen getragen, entsprechend mangelt es an Lust bei jungen Leuten auf Berufe rund um Digitalisierung. Auch die Lust am Gründen könnte gefördert werden: vor allem veraltete bürokratische Prozesse machen den Aufbau eines neuen Unternehmens unattraktiv. Beim Thema Finanzierung gibt es ebenfalls Aufholbedarf: Deutschland hat dies zwar erkannt, es gibt aber dennoch Luft nach oben – besonders Investitionen von Unternehmen in anderen Unternehmen könnten noch gezielter gefördert werden.

Peter Parycek pflichtet Miriam Wohlfahrt bei: Deutschland braucht kluge und ambitionierte Köpfe. Jetzt sei die Zeit, innovative Geister nach Deutschland zu locken. Einschnitte in Persönlichkeitsrechte wie durch den Social Score in China sollten Europa eigentlich interessant machen. Ebenso bietet sich mit der politischen Lage in den USA oder Großbirtannien möglicherweise ein Zeitfenster, Talente anzulocken. Die DACH-Region und Europa selbst sind außerdem Förderweltmeister, allerdings sollte mehr Geld in Investitionsprogramme gesteckt werden.

Stefan Schnorr weist auf die Vorteile von Digitalisierung hin, die vor allem durch die Corona-Pandemie deutlich geworden sind. Er will die von Monika Schnitzer und der OECD angesprochenen Probleme dennoch nicht leugnen. Schnorr betont im Besonderen, dass es Nachholbedarf bei der Breitbandinfrastruktur gibt. Es hat sich zwar einiges getan, beispielsweise bei verfügbaren Gigabitanschlüssen, allerdings ist die Uptake-Rate noch immer relativ niedrig. Ein Grund hierfür sieht er in den guten Preisen von anderen, weniger schnellen Internetangeboten. Eine gute Nachricht auf die Stefan Schnorr hinweist, ist die Verabschiedung der Novelle des Telekommunikationsgesetzes im Kabinett, welche unter anderem Ausbauhemmnisse adressieren und für mehr Kooperationen zwischen Kommunikationsunternehmen sorgen soll. Stefan Schnorr pflichtet auch Monika Wohlfahrt und Peter Parycek bei, dass Deutschland für Fachkräfte attraktiver werden sollte. Jungen Menschen sollte vermittelt werden, dass sich eine Unternehmensgründung lohnt. Wie auch die anderen Teilnehmer sieht auch Schnorr Nachholbedarf bei der Bildung sowie der Förderung von Digitalkompetenzen. Die Möglichkeiten hierfür seien vorhanden, allerdings müsse dafür jeder von eingespielten Gewohnheiten Abstand nehmen.

Mitschnitt der Veranstaltung:

Präsentation David Gierten, Maximilian Reisch und Verena Weber:

Präsentation Monika Schnitzer:


Zum Weiterlesen:

Economic Survey of Germany. Der Bericht untersucht die großen Herausforderungen, denen sich Deutschland stellen muss, beurteilt die kurzfristigen Aussichten und formuliert spezifische Politikempfehlungen. (Dezember 2020)

OECD Digital Economy Outlook 2020.

Jahresgutachten 2021/21. Jährlich erscheinendes Gutachten des Sachverständigenrates für Wirtschaft. (November 2020)