Wie sähe ein gutes Lobbyregister für Deutschland aus?

Lobbying gehört zur Realität moderner Demokratien. Es kann einerseits dazu beitragen, die Qualität von Gesetzgebungsprozessen im Zuge der Anhörung verschiedener (Experten-) Meinungen zu verbessern. Andererseits können durch Lobbying mächtige, finanzstarke oder gut vernetzte Interessengruppen großen Einfluss auf Entscheidungen von Politikern ausüben.

Im Bundestag wird deshalb gegenwärtig ein Gesetzentwurf zur Einrichtung eines Lobbyregisters diskutiert. Aber wie kann sichergestellt werden, dass Entscheidungsfindungsprozesse offen, ausgewogen und informiert stattfinden? Wie kann die Transparenz von Lobbying garantiert werden, damit die Öffentlichkeit nachvollziehen kann, wer welchen Einfluss auf die politische Entscheidungsfindung ausgeübt hat? Welche internationalen Erfahrungen aus anderen OECD-Ländern könnten für Deutschland interessant sein? Diese und weitere Fragen haben wir in einem Webinar am 7. Oktober 2020 diskutiert.

Impulsvortrag:

Silvia Spaeth | Ko-Vorsitzende der OECD Working Party of Senior Public Integrity Officials

Frédéric Boehm | Politischer Analyst im OECD-Direktorat für Regierungsführung

Diskussion:

Patrick Schnieder | Mitglied des Bundestages (CDU)

Matthias Bartke | Mitglied des Bundestages (SPD)

Marco Buschmann | Mitglied des Bundestages (FDP)

Friedrich Straetmanns | Mitglied des Bundestages (DIE LINKE)

Britta Haßelmann | Mitglied des Bundestages (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Moderation:

Susanne Kühn | Consultant am OECD Berlin Centre

„Wir diskutieren endlich nicht mehr über das ob, sondern über das wie“ – lobte Silvia Spaeth von der OECD Working Party of Senior Public Integrity Officials die aktuelle Gesetzesinitiative für ein Lobbyregister. Zu verdanken sei dies einerseits dem Engagement der Zivilgesellschaft und andererseits der Beharrlichkeit einiger Parlamentarier*innen. Demokratie lebe vom Vertrauen ihrer Bürger und für dieses Vertrauen brauche es Transparenz darüber, wer welche Inhalte in den politischen Prozess einbringt.

Die OECD engagiert sich seit vielen Jahren für Standards zur Offenlegung von Lobbying-Aktivitäten. Die Organisation empfiehlt, dass nicht nur der Bereich erfasst wird, auf den sich Lobbying-Aktivitäten beziehen, sondern vielmehr die konkrete Absicht, mit der Interessensvertreter an Legislative und Exekutive herantreten. Über einen sogenannten „legislativen Fußabdruck“ sollte deutlich werden, welche Lobbyisten bei einem -Gesetzgebungsprozess aktiv waren. Auch empfiehlt die OECD klare Leitlinien für den Umgang zwischen Lobbyisten und Amtsträgern. Sinnvoll sei dabei ein Verhaltenskodex oder eine gesetzliche Regelung, so OECD-Experte Frédéric Boehm. Elektronische Erfassungssysteme seien eine wichtige Ergänzung. Sie würden es erleichtern, die Einhaltung der Regeln zu dokumentieren bzw. zu überprüfen.

Die Vertreter der Regierungsparteien im Webinar, Patrick Schnieder (CDU) und Matthias Bartke (SPD), beurteilten den aktuellen Gesetzentwurf als sehr weitgehend. Er sei ein „großer Schritt nach vorne“ und sehr viel „weitgehender als das Lobbyregister der EU“.  Man habe im Gesetzentwurf bewusst einen sehr breiten Anwendungsbereich gewählt, um die Lobbyarbeit sehr vieler Akteursgruppen abzudecken. Innerhalb dieser sehr breiten Anwendung habe man aus rechtlichen Gründen Ausnahmen formuliert – etwa für die Arbeitgeberverbände, Gewerkschaften und religiöse Vereinigungen. Diese können sich allerdings freiwillig registrieren lassen.

Dass sich Lobbyisten tatsächlich freiwillig einem Lobbyregister unterwerfen, ist Silvia Spaeth zufolge gar nicht unwahrscheinlich. Auch unter Interessensvertretern befürworte man in vielen Fällen Transparenz und klare Regeln, so Spaeth. Das EU-Register sei ein Beispiel dafür. Hier hätten sich tausende Lobbyisten auf freiwilliger Basis registrieren lassen. Außerdem habe eine OECD-Befragung von Lobbyisten in 2020 gezeigt, dass auch Lobbyisten den Einfluss von Lobby-Interessen in politischen Entscheidungsprozessen teils als überrepräsentiert empfinden: 57 Prozent stimmten einer entsprechenden Aussage zu.

Aus Sicht der Oppositionsvertreter*innen im Webinar, Britta Haßelmann (Bündnis 90/Grüne), Marco Buschmann (FDP) und Friedrich Straetmanns (Die Linke), sollte das Gesetz keine pauschale Ausnahme für Gewerkschaften und Religionsvereinigungen machen, sondern für diese Gruppen Bereiche definieren, in denen Sie nicht auskunftspflichtig sind.  „Arbeitgeber, Gewerkschaften und Kirchen sind in Deutschland enorm mächtige Akteure“, so Buschmann. Aus seiner Sicht ist noch nicht geklärt, ob es tatsächlich handfeste verfassungsrechtliche Hürden gibt, um das Lobbyregister auch für sie verpflichtend zu machen. Seinem Verständnis nach sei Transparenz gar ein Wert von Verfassungsrang, so Buschmann. Daher sei der Weg frei, auch die bisher ausgenommenen Gruppen in die Transparenzpflicht zu nehmen. Punktuelle Ausnahmen seien für Streikkassen von Gewerkschaften geboten.

Grundsätzlich einig waren sich alle Teilnehmenden, dass sich der bestehende Gesetzentwurf noch dahingehend ändern müsse, dass auch Mitglieder der Exekutive im Sinne des Lobbyregisters auskunftspflichtig werden. „Wir legen starken Wert auf den legislativen Fußabdruck. Und der wird dann besonders effektiv, wenn man bei den Ministerien ansetzt“, so Friedrich Straetmanns. Aus Sicht der Grünen sollte der legislative Fußabdruck für jeden Gesetzentwurf der Regierung gelten. „Jede Vorlage sollte ein Vorblatt enthalten müssen, aus dem hervorgeht, welche externen Personen Einfluss auf die Ausarbeitung des Gesetzentwurfes gehabt haben“, so Britta Haßelmann. Dazu gehöre, dass „alle Stellungnahmen, die die Regierung eingeholt hat oder die ihr zugeleitet worden sind“ – auf diesem Vorblatt vermerkt werden.

Strittig blieb unter Teilnehmenden, wie sehr auch Parlamentarier und Parlamentarierinnen der Auskunftspflicht durch das Lobbyregister unterworfen sein sollten. „Mit uns wird es keine Lösung geben, die so weit geht, dass sie das freie Mandat der Abgeordneten bedroht, weil diese nun offenlegen müssen, wann sie mit wem gesprochen haben“, so Patrick Schnieder. Auch Matthias Bartke zufolge darf das freie Mandat nicht berührt werden: „Hier haben wir verfassungsrechtliche Bedenken“. Marco Buschmann unterstrich, dass Parlamentarier – anders als Amtsträger – keinem abstrakten Allgemeinwohl verpflichtet seien sondern als Parteimitglieder natürlicherweise bestimmten Gruppen verbunden seien. Der oder die Abgeordnete brauche entsprechend Vertraulichkeit, um arbeiten zu können und seine bzw. ihre Kontakte und Quellen zu schützen. Das sei etwa bei Whistleblowern offenbar. Die Transparenzregeln für Abgeordnete sollten demnach weniger streng sein als die für Amtsträger. Friedrich Straetmanns hielt dem entgegen, dass das freie Mandat nur dann frei sein könne, wenn es das Vertrauen der Bürgerinnen und Bürger genieße. Es sei in seiner Freiheit nicht beeinträchtigt, wenn der oder die Abgeordnete Transparenz über Kontakte schaffe. Im Gegenteil käme eine solche Verpflichtung „bei den Bürgerinnen und Bürgern wahrscheinlich gut an“. Britta Haßelmann schlug vor, den legislativen Fußabdruck nicht auf einzelne Abgeordnete anzuwenden, sondern auf das Gesetzgebungsverfahren im Plenum bzw. in den Ausschüssen und Fraktionen.

Das Gesetz für ein Lobbyregister soll zum 1. April in Kraft treten. Bis dahin gibt es allen Teilnehmenden zufolge noch viel Diskussionsbedarf. Aber auch das, was am Ende nicht in Gesetzesform übergeht, kann weitgehende Wirkung entfalten, so OECD-Experte Frédéric Boehm. Das zeige das Beispiel anderer Länder: „Ein Verhaltenskodex beispielsweise ergänzt ein Gesetz und soll eine bestimmte Kultur schaffen. „Damit kann er gegebenenfalls sogar noch über ein Gesetz hinausgehen“.


Hier finden Sie die Folien der Power Point Präsentation von Silvia Spaeth und Frédéric Boehm:

Weiterlesen:

OECD-Übersichtsseite zum Thema Lobbying

Lobbyists, Governments and Public Trust, Volume 3. OECD-Studie (November 2014)